Warum ist jetzt Schluss? Die Rahmenbedingungen, die sich Frank und Frederic für das Betreiben von Arctic Rodeo gesetzt haben, lassen sich schlicht nicht mehr aufrechterhalten. So sehr die beiden die Unabhängigkeit von Arctic Rodeo geschätzt haben, so wenig Raum bietet das Konstrukt aus beruflichen und familiären Verpflichtungen mittlerweile für das Betreiben eines Musiklabels auf dem Level, das Künstlerinnen und Künstler verdient haben.
„In den letzten Jahren hat sich mit Blick auf Arctic Rodeo leider einiges geändert. Die Strukturen der Musikbranche an sich, aber auch das familiäre und berufliche Umfeld“, erzählt Frank. „Prioritäten haben sich verschoben und es zunehmend schwieriger gemacht hat, die nötige Zeit und Energie aufzubringen, ein – wenn auch kleines DIY-Label nach unseren eigenen Maßstäben – möglichst ‚professionell‘, erfolgreich und mit Spaß zu betreiben.“ Aus diesem Grund beendet Arctic Rodeo nach 19 Jahren seine Aktivitäten und plant keine weiteren Veröffentlichungen.
„Wenn ich auf diese Zeit zurückblicke, empfinde ich vor allem eine tiefe Dankbarkeit gegenüber Musikfans, Künstler:innen und auch der Medien, die uns unterstützt haben“, sagt Frederic. „Man soll doch aufhören, wenn es am Schönsten ist. Und wenn ich überlege, mit wie vielen tollen Menschen und großartigen Musiker:innen wir arbeiten durften, dann haben wir weit mehr erreicht, als ich jemals für möglich gehalten hätte. Es ist der richtige Zeitpunkt, einen Schlussstrich zu ziehen.“
"Diverse Perlen für einen schmalen Taler sichern"
Ganz verschwinden wird das Label nicht: Die Online Shops und die Website von Arctic Rodeo bleiben vorerst online. Angeboten werden dort aktuell auch attraktive Vinyl Bundles zum Schnäppchenpreis – denn das Lager von Arctic Rodeo muss geräumt werden. Fans können sich hier diverse Perlen für einen schmalen Taler sichern.
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Die Story von Arctic Rodeo Recordings
Die Gründer schreiben ihre Story selbst wie folgt:
2005 schmiedeten Frank Georgiadis und Frederic Klemm einen seinerzeit waghalsigen Plan - in einer Zeit, die sich noch vor dem großen Comeback der Schallplatte wähnte. Die langjährige Freundschaft der beiden gepaart mit jeder Menge aufregender Ideen, guten Verbindungen in die Szene und schier grenzenlosem Enthusiasmus verlangten danach, selbst entdeckter oder von anderen empfohlener Musik ein Forum zu bieten. Die Idee von Arctic Rodeo war geboren.
Waghalsig? In der Tat. „Was mittlerweile szeneübergreifend Mainstream ist, wurde damals von vielen als schlichtweg wahnsinnig abgewunken“, erzählt Frederic Klemm. „Die Musikbranche befand sich im Niedergang, die Verkäufe physischer Tonträger gingen drastisch zurück. Was uns damals als Reaktionen auf unsere Idee aus dem Umfeld entgegenschlug, war daher irgendetwas zwischen Verwunderung, Bewunderung und Skepsis.“
Denn einerseits deutete damals nichts darauf hin, dass das Konzept, liebevoll gestaltete Schallplatten in limitierten Auflagen auf farbigem Vinyl zu veröffentlichen, Erfolg haben könnte. Andererseits waren da draußen eben doch noch viele Fans, die ihre Begeisterung für genau diese Idee aufrecht erhalten hatten und leidenschaftlich gerne am klassischen Format festhielten.
Dass Frank und Frederic Arctic Rodeo umsetzen und so lange weiterführen konnten, war vor allem drei Grundvoraussetzungen geschuldet: Vertrauen, Freundschaft und keinerlei Abhängigkeit von Profit. Letzteres bedeutete für die beiden Betreiber eine Unabhängigkeit von wirtschaftlichem Erfolg – also ein Independent Label zu in Reinkultur zu sein. „Wir wollten einfach das tun, was wir liebten, und nichts anderes“, sagt Frederic. „So konnten wir Veröffentlichungen zu fairen Preisen anbieten, Charity Releases umsetzen und mussten uns nie die Frage stellen, wie viel uns dies oder jenes wohl finanziell einbringt – über die schwarze Null hinaus, versteht sich“.
Die anderen Komponenten waren aber ebenfalls von großer Bedeutung. Denn ohne das Vertrauen aller involvierten Akteure hätte Arctic Rodeo nicht funktioniert. Oft haben sich aus den guten Verhältnissen zu den Künstler:innen langjährige Freundschaften entwickelt, Empfehlungen ergeben, Netzwerke erweitert. Musikalisch lag das Interesse lag vor allem bei den Genres, die Frank und Frederic über viele Jahre prägte.
Rival Schools Gitarrist Ian Love war der erste, der dem Label aufgrund der Bekanntschaft von Frederic mit Walter Schreifels (Quicksand, Gorilla Biscuits Youth of Today, Rival Schools) sein bedingungsloses Vertrauen aussprach und sein Soloalbum bei Arctic Rodeo veröffentlichte. Es folgten Alben von Kevin Devine, Far, Matt Pryor (The Get Up Kids), House & Parish (mit Musikern von Texas is the Reason, The Gloria Record, The Promise Ring), Solea (mit Musikern von Samiam, Texas is the Reason), und auch Walter Schreifels‘ Soloalbum und eine Deluxe Reissue von dessen Projekt Walking Concert sollten später bei Arctic Rodeo erscheinen.
Mit Arty Shepherd (u.a. Mind Over Matter), der auch die legendäre Saint Vitus Bar in Brooklyn betreibt, verbindet das Label durch die Veröffentlichungen seiner Bands God Fires Man und Errortype:11 ebenso eine langjährige Freundschaft wie mit Jawbox-Sänger und -Gitarrist J. Robbins, von dem Arctic Rodeo u.a. Channels, Burning Airlines, Report Suspicious Activity und natürlich Jawbox veröffentlicht hat, sowie bspw. zu Adam Rubenstein von Chamberlain, resultierend aus der Zusammenarbeit an mehreren Solo- und Bandveröffentlichungen.
Die Freundschaft mit Drew Thomas (Into Another) und Garrett Klahn (Texas is the Reason) führe sogar zur Veröffentlichung des Albums von The New Rising Sons, das vor vielen Jahren bei Virgin Records hätte erscheinen sollen. Knapsack, Pilot to Gunner, Skeleton Key, Able Baker Fox, The New Amsterdams, Garrison, Horace Pinker, Retisonic, Joshua, Garden Variety – die Liste weiterer namhafter Indepependent Bands aus dem Punk-, Emo- und Posthardcoreumfeld, mit denen Arctic Rodeo arbeiten duften, ist lang. Gleichzeitig gab es bei Arctic Rodeo stets auch Platz für unbekannte Talente und Newcomerbands wie In the Pines, Southerly, Daria, The Pauses, Juta oder Jonathan Inc., auf deren Veröffentlichungen Frank und Frederic ebenso stolz sind wie auf die Alben bekannterer Künstler:innen.