Filter - The Trouble With Angels Tipp



Stil (Spielzeit): Industrial/Alternative Rock (40:50)
Label/Vertrieb (VÖ): Nuclear Blast (24.09.10)
Bewertung: 9,5/10

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Mit "Take A Picture" hat Richard Patrick vor vielen Jahren einen Überhit geschaffen, der nach wie vor eigentlich nicht repräsentativ für die Musik von FILTER ist. An das Niveau von "Title Of Record" kamen die Amerikaner mit dem verflucht harten "The Amalgamut" und dem emotionalen "Anthems For The Damned" nicht heran. "The Trouble With Angels" hingegen kann bereits nach wenigen Hördurchläufen attestiert werden, auf einer Stufe mit dem zweiten FILTER-Album zu stehen, wenn nicht gar der bisher beste Output der Band zu sein.

Dabei klingen die Songs immer unverkennbar nach FILTER, sind aber definitiv härter als die Nummern des Vorgängers und gehen mehr in die Richtung der ersten drei Scheiben. Das ist sowohl bei der ersten Single "The Inevitable Return" als auch dem verdammt heftigen, mit mörderischen Riffs unterlegten "Drug Boy" zu hören. Auf den letzten Alben zockten Richard Patrick und seine Kollegen eher Alternative Rock mit Industrial-Einflüssen als anders herum. Auch "The Trouble Of Angels" fühlt sich im harten Rock zu Hause, die kalten, maschinellen Industrial-Elemente haben aber wieder an Raum gewonnen. Das zeigen sowohl "Down With Me" als auch "Catch A Falling Knife", das mit seinem Wechsel aus basslastigen, unterkühlten Strophen und einem Chorus zum Niederknien für große Freude sorgt und Patrick als ungemein gewachsenen Sänger zeigt. Seine Vocals waren schon immer charismatisch und gut, aber auf dem fünften FILTER-Album holt er wirklich alles aus sich heraus und singt so leidenschaftlich und abwechslungsreich wie noch nie. Stichwort Abwechslung: Die wird auf "The Trouble With Angels" groß geschrieben. Ob "No Love", das von dem interessanten Kontrast aus harten Riffs und spannungsgeladenen, hintergründigen Gitarren, Bass und verspielten Drums in den Strophen und dem großartigen Refrain lebt (erinnert alles in allem etwas an LINKIN PARK), "Absentee Father" mit bandtypischen Melodien und Refrain oder der etwas gemäßigtere, melancholisch angehauchte und mit einem epischen Refrain versehene Titeltrack – FILTER stellen ihre Wichtigkeit in der Alternative-/Industrial-Szene eindrucksvoll unter Beweis.

Ein Song namens "Fades Like A Photograph (Dead Angel)" (eifrigen Kinogängern aus dem Abspann von "2012" bekannt; die Soundtrackversion finde ich noch einen Tick geiler) ist dann völlig überraschend der immer erhoffte, aber nie erwartete "Take A Picture"-Nachfolger. Mit Drumloops, Bass, Akustikgitarren und Piano in den Strophen ist die Nummer etwas verspielter und "erwachsener" als der bekannte Hit, aber mit einer ähnlichen Stimmung und zum Heulen schönen Melodien ausgestattet, während der unerwartete Refrain vor Erhabenheit fast platzen möchte. Tonnenschwere Riffs, welche die Strophen sehr melodisch ausbauen und ein erneut mörderischer Chorus machen "Clouds" zu einem weiteren Höhepunkt, in dem Patrick so hoch wie nie zuvor singt. "No Re-Entry", der längste Song des Albums, markiert einen dramatischen Abschluss: Ein erneut über sich hinaus wachsender Sänger, packende Atmosphäre, dichte Keyboards und großartige Melodien im Midtempo – das klingt, als ob man zwei Minuten vor dem Sprung von einer Klippe schmerzerfüllt einem futuristischen Sonnenuntergang zusehen würde.

Kein Song ohne Gänsehautmelodien und wahnsinnig geile Hooks, die sich spätestens beim dritten Hören unwiderruflich in die Hirnrinde fressen, enorm spannende und abwechslungsreiche Songs, eine Band in Topform und eine mörderisch brachiale, sehr auf Gitarren ausgelegte Produktion – kein Zweifel, "The Trouble With Angels" ist ein Album voller Hits, immer typisch FILTER, immer hochmelodisch, immer mit Gänsehautfeeling.

Der fünfte Output ist meiner Meinung nach die bisher reifste Leistung des amerikanischen Quartetts; die Bonustracks der Limited Edition können das Album nur noch weiter aufwerten, auch wenn dies kaum möglich scheint. Was für eine großartige CD!

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