Limp Bizkit - The Unquestionable Truth [Part 1]



Stil (Spielzeit): Crossover/Metal (29:44)
Label/Vertrieb (VÖ): Geffen/Universal (02.05.05)
Bewertung: Unerwartet dickes Teil [7/10]
Link: www.limpbizkit.com
Manchmal ist es von Vorteil, ein Album erst drei Wochen nach Erscheinen zu betrachten - wenn die Zorneswogen der eifrigsten Nörgler geglättet wurden, das Gemüt der Überschwänglichen ein wenig abgekühlt ist und man vielleicht auch selbst eine etwas kritischere Position zur Musik gewonnen hat.
Sehen wir uns vor jeglicher musikalischer Wertung jedoch zuerst den Vorlauf von „The Unquestionable Truth [Part1]" an:

Limp Bizkit wurden dieses Mal nicht groß im Vorfeld promotet. - Wo blieben die großflächigen Anzeigen in den Musikzeitschriften, die Clips und Spots und Jingles, Newsletter seitens der Plattenfirma und der Agenturen? Es gab keine, bzw. nur sehr vereinzelt - und alles war Teil des Plans, wie auch immer man sich dessen Ziel im Hause Bizkit vorgestellt hat. Selbst die offizielle Homepage blieb bis zum Release des Albums nicht mehr als ein auf pure Funktionalität ausgerichtetes Blog. Dass diese Art von höchst ungewöhnlicher Verkaufsförderung eines Millionen-Sellers mehr als ein verschrobener Marketingtrick sein sollte, daran regten sich begründete Zweifel. Jedenfalls wurde das Album zumindest an Mags und Zines (teils verspätet) zum Rezensieren rausgeschickt - auf die Meinung von Kritikern und den damit verbundenen Werbeeffekt wollte man dann scheinbar doch nicht ganz verzichten.

Auch hinsichtlich der Zusammensetzung der Band gab es Neues zu konstatieren: Gründungsmitglied Wes Borland stieß erneut dazu, nachdem er drei Jahre zuvor die Band verlassen hatte - Mike Smith durfte angesichts dieser Umkehr prompt seine Gitarre einpacken und gehen. Dass an den Drums nun nicht mehr John Otto sitzt - nun ja, seine Drogenprobleme waren Schuld, so zumindest die offizielle Version. Was würde also dieses - in den Augen vieler Fans durch Wes' Rückkehr aufgewertete - Gespann reißen, wie würde das fünfte Album klingen? So wie das ganz und gar untypische Cover es bereits vermuten ließ? - So, wie es vermutlich niemand erwartet hatte? Genau: So, wie man sich die glatten, mainstream-gefeierten Limps eigentlich nie hätte vorstellen können: Dreckig, wütend und zum ersten Mal richtig aggressiv.

Gleich der Opener „The Propaganda" fällt Bäume: Da liegt Attacke auf den Saiten, hier wird gerifft und nicht mit Effekten gebastelt, wie einst detailverliebt herumgespielt. Das Schlagzeug puncht direkt und ungeschönt, Fred Durst rappt zwar so typisch wie eh aber sein Sprechgesang wirkt eine Spur gereizter als früher.
Der Blick ins Textbuch bestätigt den zweiten Eindruck: Der Mann hat wieder ernsthaft etwas zu sagen, Kritik abzugeben. Und drittens: DJ Lethal hält sich weitgehend raus aus dem Material und bleibt Marginalie. „The Truth", der zweite Song des nur 30-Minuten kurzen Musikmarsches klingt denn wie Rage Against The Machine in Reinkultur - inklusive einer umstürzlerischen Power, wie man sie in der Form nicht einmal auf dem Bizkit-Debut „Three Dollar Bill, Y`all$" vorgesetzt bekam.
Die weiteren Tracks: Weitgehend unvorhersehbar, keinesfalls langweilig aber voller Wut, streckenweise noisig, fast immer eruptiv und groovend und somit bestens dazu geeignet, den Verkaufszahlen der Vergangenheit den Kampf anzusagen: Das Album fällt in der zweiten Woche von Platz 24 auf Platz 82 der US Billboard Charts. Lediglich das etwas lasche „Surrender" schlägt mit sanfter Gitarre und Balladenhaftigkeit eine Brücke zu den Vorgänger-Alben, die zu einem musikalischen Kapitel gehören, das nun endgültig abgeschlossen zu sein scheint.

„The Unquestionable Truth [Part 1]" zeigt Limp Bizkit in einem komplett anderen Licht als vormals. Und obwohl die Band ihre Festivaltour im Sommer wegen gesundheitlicher Probleme abgesagt hat, so haben sie mit diesem ersten von zwei Teilen einen solchen Eindruck hinterlassen, wie ich es nicht mehr für möglich gehalten hätte. Auch wenn eine gute Portion Strategie hinter all dem stehen sollte: Wenn sich eine Formation unter ihrem eigenen Stempel hinwegduckt und etwas Neues riskiert, sollte man hinhören. Erst recht, wenn das Ergebnis so überzeugend und frisch klingt wie auf diesem Album.