Chris Cornell - Carry On


Review


Stil (Spielzeit): Alternative Rock (57:59)
Label/Vertrieb (VÖ): Interscope/Universal (29.06.07)
Bewertung: 6,5/10
Link: www.chriscornell.com

Würde nicht Chris Cornell auf „Carry On“ singen, sondern ein durchschnittlich begabter Sangeskünstler, es wäre nur eine gute Rock-Platte. In erster Linie ist das zweite Soloalbum des ehemaligen SOUNDGARDEN- und AUDIOSLAVE-Frontmannes nämlich eine rundum radiotaugliche Angelegenheit geworden, die im Vergleich zum ersten Solowerk „Euphoria Morning“ weit weniger auf melancholische Intensität setzt. Aber wir hören Cornell - und sind mittlerweile alle acht Jahre älter geworden, und das hat zu einem gewissen Abstand zu seligen SOUNDGARDEN- oder TEMPLE OF THE DOG-Tagen geführt. Ich messe den derzeit in Paris lebenden Sänger also nicht an vergangenen Glanztaten, sondern an der Qualität der Songs auf „Carry On“ – die zwar schwankt, letztlich jedoch den Kauf der Platte rechtfertigt.

Das Songwriting mag nicht von einem anderen Stern kommen, und einige vorhersehbare Rumpel-Nummer wie „Poison Eye“ oder „Ghosts“ hätte man sich vielleicht auch schenken können. Aber es ist einmal mehr der Gesang, der durchweg überzeugt und auch lasche Momente („Scar On The Sky“) verzeihen lässt.
Da wäre der knallige Opener „No Such Thing“, der sich auch textlich erfreulich von den cheesigen Patzern einiger Folgesongs („Arms Around Your Love“) abhebt. Ich mag das ruhige „Safe And Sound“, das nach verpenntem Sonntagmorgen mit Kaffee auf dem Fenstersims klingt, und ich stehe total auf „She’ll Never Be Your Man“: Eine lässige, gut arrangierte Nummer mit Steel-Guitar und gekonnt sparsam eingestreuten Klaviertönen, zu der Cornell sich endlich auch gesanglich ein wenig weiter aus dem Fenster hängt. Dass er nur selten ans stimmliche Limit geht, ist ein wenig schade; ich hätte mir schon den einen oder anderen Ausbruch gewünscht. Doch das geben die Songs nicht ganz her, auch wenn ansonsten effektiv die Cornell’sche Bandbreite abgedeckt wird.
Das passiert dann bei einer anfangs eher unscheinbar wirkenden Nummer wie „Killing Birds“, die sich dazu mit schön synthetisch pluckerndem Synthie-Beat abhebt. Ganz groß: „Billie Jean“ von Michael Jackson in einer sehr reduzierten, ruhigen Cover-Version. Respekt, das Stück auf diese Weise als Blues-Song zu interpretieren, absolut gelungen.
Gegen Ende wird die Platte zusehends schwächer, auf das Ami-Kitsch-Gedudel von „Finally Forever“ hätte ich gerne verzichtet, gleicher Fall bei „Silence The Voices“. „Disappearing Act“ mit Streichern trumpft dann noch einmal auf, eine wirklich schöne Ballade, die ein wenig an John Denver erinnert – und wie das gesamte Album sehr amerikanisch klingt. Den Schluss bilden „You Know My Name“, der Bläser-unterstützte Song zum Bond-Streifen „Casino Royale“ und „Today“, ein unspektakulärer Schrammel-Rotz-Rock-Song mit Wah-Wah und Gospel-Feeling.

Abschließend sollte „Carry On“ trotz einiger schwacher Momente jedem Cornell-Fan geben, was er braucht. Ich liebe diese Stimme und nahezu alles, was der Mann in der Vergangenheit angefasst hat, und ich mag seine zweite Solo-Scheibe richtig gern – objektiv kommen dann aber doch nur knappe 7 Punkte heraus.

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