Lacuna Coil - Dark Adrenaline Tipp

Lacuna-Coil-Dark-Adrenaline

Stil/Spielzeit: Gothic Metal/Alternative Metal (45:02)
Label/Vertrieb (VÖ): Century Media (20.01.2012)
Bewertung: 8,5/10

lacunacoil.it

Ich seh's ja ein: "Shallow Life" war vielleicht nicht ganz so spektakulär, wie ich in meinem damaligen Review geschrieben habe und ist selbst mir im Nachhinein eine Spur zu poppig und experimentell ausgefallen (aber immer noch ein tolles Album!). Das merke ich im direkten Vergleich mit dem neuen Werk "Dark Adrenaline", das eher an vergangene Zeiten anknüpft und den Gothic Metal mehr in den Mittelpunkt rückt als die vergangenen beiden Alben.

Aushängeschild von LACUNA COIL ist und bleibt die wunderhübsche Cristina Scabbia, die eine der schönsten und besten Stimmen mit dem höchstem Wiedererkennungswert im Metalbereich besitzt. Selbst, wenn der Wechselgesang mit dem männlichen Duettpartner Andrea Ferro mittlerweile traumwandlerisch gut funktioniert, kann es das männliche Pendant mit der kräftigen, aber limitierten Stimme nicht mit der Sängerin aufnehmen. Trotzdem gehören seine Vocals unwiderruflich zum Sound der Italiener wie die verbleibenden Bandmitglieder, die für ein vorbildlich eingespieltes Instrumentalgerüst sorgen, bei dem nur noch in wenigen Songs der klackernde, KORN-artige Bass negativ auffällt. Die Songs auf "Dark Adrenaline" pendeln sich zwischen sehr gut und richtig geil ein, bei manchen handelt es sich um die wohl besten Kompositionen der Italiener seit "Comalies" von 2002. Zum Beispiel beim Opener "Trip The Darkness", der einen mit seinem wahnsinnig guten Refrain und einer beispiellosen Eingängigkeit vom ersten Moment an gefangen nimmt. Oder bei dem knackigen Headbanger "Give Me Something More", dessen eindringlicher, beinahe schon poppiger Chorus sich ebenso fest in die Ohrmuscheln krallt.

Den (Halb-)Balladen-Stempel kann man trotz durchgehender Gitarrenpower noch am ehesten dem grandiosen, träumerischen "End Of Time" (eine der besten Nummern, in der Ferro sehr eindringlich singt) aufdrücken, generell ist "Dark Adrenaline" aber erfreulich wuchtig, rifflastig und hart ausgefallen. Die düster-melancholische Atmosphäre wird das ganze Album über aufrecht erhalten, Cristina Scabbias Vocals decken alles zwischen elfenhaftem Gesang in höchsten Lagen und inbrünstig gesungenen, leidenschaftlichen Passagen ab. Mit einer kräftig umarrangierten, auf den LACUNA COIL-Sound zugeschnittenen Interpretation des fürchterlichen R.E.M-Hits "Losing My Religion" beweisen die Italiener nach "Enjoy The Silence" zudem erneut ein Händchen für sehr gelungene Coverversionen, die das Original zumindest in diesem Fall deutlich ausstechen. Im knapp sechsminütigen "My Spirit" überraschen LACUNA COIL zudem mit einer schleppenden und tieftraurigen Nummer mit fetten Riffs, die dezent an PARADISE LOST erinnert. Auch "Intoxicated" mit einer grandiosen Gesangsleistung Scabbias ist ein Höhepunkt des Albums. Dass die knackige Produktion von Don Gilmore (u.a. LINKIN PARK) voll auf der Höhe der Zeit ist und kompakt aus den Boxen perlt, ist beinahe schon selbstverständlich.

Zwischen den genannten, besonders herausstechenden Fixpunkten finden sich mit "Kill The Light", dem düsteren "I Don't Believe In Tomorrow", "The Army Inside" oder "Against You" (mit feinem Gitarrensolo) weitere Nummern, die "Dark Adrenaline" zu einem ersten Highlight des noch jungen Jahres 2012 machen und LACUNA COIL in bestechender Form zeigen, selbst wenn ein, zwei eher dröge Nummern wie "Upside Down" ihren Weg in die Tracklist gefunden haben. Man könnte als Kritikpunkt anführen, dass LACUNA COIL nichts wirklich Neues bieten, einige Songs älteren Nummern ziemlich ähneln und die Band zu oft im Midtempo agiert. Doch solange Härte, Melodien und Eingängigkeit so beeindruckend gut austariert sind wie auf "Dark Adrenaline", einige neue oder lange vermisste Details den eigenen, unverkennbaren Stil aufpeppen und den Hörer mit unvergleichlichen Melodien beglücken, macht das überhaupt nichts.