Dunkelschön - Katharsis Tipp




Stil (Spielzeit): Mittelalter / Folk (55:54)
Label/Vertrieb (VÖ): Screaming Banshee / Alive (11.09.09)
Bewertung: 9,5 / 10


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Teilt man das Mittelalter Zeltlager mal grob in einen höfisch-eleganten und einen rustikal rockenden Bereich, hat das Sextett aus dem Südwesten sein Lager weit näher an SALTARELLO, IRFAN und ESTAMPIE aufgeschlagen als bei den Krawallos von CORVUS CORAX & Co.

Obwohl ich mich gelegentlich in dem filigranen Bereich umtue, sind mir die drei vorherigen Alben seit 2006 entgangen. Schließt man mal von KATHARSIS auf die Vorgänger, habe ich etwas verpasst: im Wesentlichen einen aparten Sopran (Vanessa Istvan) und Eigenkompositionen, die mit viel Charme ein wundervoll unzeitgemässes Ambiente verbreiten, das in Wälder und Schankräume entführt, die sich so wohl nur die heimatlose moderne Seele ausdenken kann.

Das Instrumentarium ist Folk-typisch, vielerlei Flöten und altertümliches Schlagwerk, Harfen und 6-Saiter, aber auch das Cello kommt oft zu Ehren... Was kaum vermisst wird: Schalmeien und Sackpfeifen, denn ganz ohne den rustikalen Touch eines Bordun-Instrumentes geht's auch hier nicht: die Drehleier sorgt angelegentlich (hoho!) für „buntes Treiben". Als einziges rockendes Instrument kam mir ein handelsübliches Schlagzeug zu Ohren. Zu verkraften.

Für mich habe ich die Platte in thematische Drittel eingeteilt: ein Teil stellen sehr athletische, lebensfrohe Folknummern wie das besinnlich startende schwedische Traditional „Kristallen den Fina", das mich an meine Lieblinge von FEJD erinnert. Oder „Lacrima", das seinem Titel zum Trotz sehr schwungvoll und stabil und mit Streichern im Stil früher INCHTABOOKATABLES daherkommt. Oder das leicht orientalische „Mion Mar", das sich der Beschwörungsformel des „Atems der Schlange" (Anaal Nathrakh...) annimmt. Noch schöner: das Instrumental „Haganusa". Könnte ein Jig oder Reel sein. Ich bin kein Tanzsportwissenschaftler. Aber ich liebe Guinness. Wäre der Rest so, ich zöge die „9".

Das zweite Drittel stellt meine Favoriten: besinnliche, teil sehr melancholische Träumereien wie das iro-keltisch inspirierte „Quiet Lands", mit seinem Anflug von „The Wind that Shakes the Barley" (DCD) und traumschönen Streichern, die mit dieser seelenvollen Stimme erfolgreich konkurrieren. Hammer!
Und dann ist da dieses superbe, unterschwellig erotische, französische Vergnügen: „Mon Ami", vom Stil her eine zarte, schöne & sehnsüchtige Volksweise; aber wie Vanessa die Zeilen „Où est mon ami / Ecoutez, Regardez / Où est mon ami / Mon ami, viens" intoniert... Mir deucht, da springt wohl auch ganz hart gesottenen Landsknechten der Wams auf. Was für eine Elfe!
Und dann ist da obendrein als hidden track ein gälisches A Capella Solo... zum Sterben schön. Wäre der Rest so, ich zöge die „10".

Im Sinne des Abwechslungsreichtums mag mancher sich freuen, dass nicht alle Stücke so lyrisch / feinsinnig angelegt sind, sondern das auch mal etwas Druck gemacht wird. So bei „Askath, die weißen Raben", oder „Deine Flammen". Ich schwöre, dass ist kein Zufall, dass die Titel plötzlich so deutsch klingen. das gilt leider auch für die Musik.
Mag der Mittelalter-Rock Einschlag auch für überzeugte C.C. & IN EXTREMO - Verächter wie mich bei erst genannter Nummer noch erträglich sein (schlicht weil DUNKELSCHÖN gar nicht so rumpelig und quäsig sein können), ist die zweite derart kitschtriefend, dass mir angesichts der Klasse der meisten Songs der Atem stockt, und die Gruppe sich im Handstreich von dem filigranen Podest zu spielen droht, auf dem ich sie zuvor gestellt hatte.  (Denn es ist handwerklich ja durchaus in Ordnung.)--- Auch das dritte deutsche Stück (Dein Gedenken), obgleich gemächlich und mit gutem Cello, weiß nicht wirklich zu überzeugen. Wäre der Rest so, ich zöge allenfalls / immerhin die „5".

Wäre Genuss eine Frage der Arithmetik, dann bliebe für „Katharsis" eine mehr als achtbare Acht. Aber an dem ist nicht so. Ich ignorier schlichtweg den Schmonz; und brenne mir einfach eine Kopie ohne die drei Ausfälle. Fertig ist die 9,5.

 

 

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