James LaBrie - Static Impulse



Stil (Spielzeit): progressiv angehauchter Modern/Melodic Death Metal (54:35)
Label/Vertrieb (VÖ): InsideOut (24.09.2010)
Bewertung: 7/10

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Während alle Welt noch im Schockzustand ist, weil Bandleader Mike Portnoy DREAM THEATER verlassen hat, veröffentlicht JAMES LABRIE ein neues Soloalbum, dem die Aufmerksamkeit, die den Proggern derzeit geschenkt wird, sicher nicht ganz ungelegen kommt. Das ist purer Zufall, negative Auswirkungen wird der Sänger, der jüngst behauptete, Portnoy nicht wirklich zu vermissen, aber definitiv nicht verspüren. "Static Impulse" heißt also die zweite Scheibe, auf der sich LaBrie solo erneut selbst verwirklichen möchte. Die Vermutung liegt nahe, dass er das auch vor allem deshalb tut, weil sein Input bei DREAM THEATER seit einigen Alben gegen Null tendiert.

Verlassen wir nun das Reich der Spekulationen und Vermutungen und tauchen in de Welt von "Static Impulse" ein. Ich muss gestehen, dass ich den Vorgänger "Elements Of Persuasion" nur mal kurz angecheckt und es danach total versäumt habe, mich ausführlicher mit LaBries Solomaterial zu beschäftigen. Umso überraschter war ich, als ich "Static Impulse" zum ersten Mal hörte. Das lag weniger an dem Sänger, der allen Nörglern und Unzufriedenen ganz nebenbei zeigt, wie fantastisch seine Vocals sind, wenn er sich selbst ausleben darf und keine Rücksicht auf Vorstellungen anderer Musiker nehmen muss, als an der musikalischen Ausrichtung. Mein erster Gedanke war: "Hm, locker-proggig und modern." Der zweite "Das sind doch IN FLAMES!" Tatsächlich würde ich den Stil als etwas proggigere Variante des IN FLAMES-Sounds ab 2002 ("Reroute To Remain") beschreiben, was nicht zuletzt an den Growls von Schlagzeuger Peter Wildoer (im Duett mit LaBrie anfangs doch ziemlich ungewohnt) und den Riffs, die schwer nach der Melodic Death-Schule aus Göteborg klingen, liegt. Außerdem fällt auf, dass der Sound ds neuen Soloalbums des DREAM THEATER-Sängers vor allem eines ist: Fett. Und zwar megafett. Auch deshalb kommen mir erneut neuere IN FLAMES (oder eine härtere Version von ALL ENDS mit männlichen Vocals) in den Sinn. Kommen wir zu den Songs: Die sind kompakt, mit kurzen, aber intensiven Soloausflügen versehen, teils ein wenig verspielt und hart. Wie bereits erwähnt geht stetig LaBrie aus sich heraus und lässt schwächere Liveauftritte oder allzu hohen und gepressten Gesang bei seiner Hauptband schnell vergessen. Glücklicherweise nimmt seine Stimme einen Großteil des Gesanges ein, die Growls und Screams sind zwar in beinahe jede Song vorhanden, drängen sich aber nicht auf, sondern sind meist eher als unterstützende Elemente zu verstehen. Bei "Just Watch Me" handelt es sich um eine im Refrain ziemlich wütend klingende Halbballade, auch der Abschluss "Coming Home", das auf Akustikgitarren und Piano sowie wohldosierten E-Gitarren basiert, ist eine ruhige Nummer, in der LaBries Stimme am "unverfälschtesten" zur Geltung kommt. Der Rest, allen voran "This Is War" (mit Blastbeats!), der Opener "One More Time" (mit am progressivsten) und "Mislead", sind musikalisch im Melo Death-Bereich anzusiedeln und sehr modern ausgefallen. Das ist nicht unbedingt das, was man von dem DREAM THEATER-Sänger erwarten konnte, aber es hat Klasse und einige sehr, sehr hübsche Melodien zu bieten.

Ob "Static Impulse" bei den DREAM THEATER- und Progressive-Anhängern sehr viele Freunde finden wird, wage ich zu bezweifeln. Dafür klingt das Album zu einfach, zu deathig und nicht komplex genug. Außerdem werden sich wahrscheinlich einige an den Growls stören. Wer sich gerne die neueren Sachen von DARK TRANQUILLITY, SOILWORK, IN FLAMES oder ALL ENDS anhört oder generell ein Unterstützer von LaBrie ist, sollte aber definitiv ein Ohr riskieren. Obwohl "Static Impulse" nicht die große Abwechslung bietet und man sich nach der ersten Überraschung ob des harten Sounds daran gewöhnt hat, ist die Scheibe ein sehr gute hörbarer Soloausflug von James LaBrie geworden. Überraschend, aber gut!