Ásmegin – Arv Tipp




Stil (Spielzeit): Folk Metal (42:11)
Label/Vertrieb (VÖ): Napalm Rec. (28.11.08)
Bewertung: 9,5 / 10
Link: http://www.asmegin.com

„Arv“ ist norwegisch und heißt soviel wie „Erbe“ oder „Vermächtnis“. Man kann es hier aber auch als Abkürzung für „Archaisch, roh, virtuos“ lesen. – Hier hat Napalm endlich mal wieder eine echte Perle am Start. Prädikat: besonders wertvoll.

ÁSMEGIN sind schon gut 10 Jahre unterwegs und haben sich seit ihrem Debüt bei den Leuten aus Eisenerz fünf Jahre Zeit gelassen. Und nur dem Einsatz ihres Labels ist es zu verdanken, dass es „Arv“ überhaupt „schon“ gibt. Denn nachdem sich das Besetzungskarussell wie wild gedreht hatte und nur noch Marius Olaussen (u.a. Gitarre, Bass, Mandoline) von der Originalbesetzung übrig geblieben war, befanden sich vor einigen Monaten kaum mehr als teilweise uralte Ideen und einige jüngere Songfragmente im Gepäck. Aber es gibt ja nun mal einen Vertrag über vier Alben… und so wurden die Fragmente unter Hochdruck ausgearbeitet und noch einige Gastmusiker/-innen verpflichtet…, flugs mal eingespielt und das ganze Album binnen 24 Stunden abgemischt…


Mit dem Viking Metal der Anfangstage hat der verschleppte Schnellschuß „Arv“ so gut wie… nein, rein gar nichts mehr zu tun. Das hier ist allerfeinster skandinavischer Folk-Metal mit Parallelen --nur um eine ganz grobe Orientierung zu geben-- zum verblichenen Projekt STORM von Fenriz, Satyr & Kari Rueslåtten und zu den melancholischen Nummern von FINNTROLL (Richtung „Visor om Slutet“) einerseits.
Und Parallelen zu skandinavischen Folk (-Rock) Koryphäen wie FEJD oder VÄRTTINÄ andererseits. Zugegeben, damit ist ein recht weites Feld umrissen, aber die Norweger beackern das spielend.

Wenn man die Qualität des Resultats hört, mag man die Entstehungsgeschichte von „Arv“ irgendwie nicht glauben; das Niveau ist so dicht am Prädikat „genial“, dass selbst unter optimalen Bedingungen ein solches Album nur 1-mal auf 1000 kommt. Wenn überhaupt. Die Strukturen tänzeln völlig schlüssig und spielerisch zwischen Komplexität und Eingängigkeit, zwischen melodiösen und ruppigen Parts, beides skandinavischem Folk eigentümlich. Die filigranen Frauenstimmen (einmal Mezzosopran mit dem samtschwarzen Timbre einer französischer Chansonette, einmal ein glockenheller Sopran, der das Trommelfell wie mit einem Skalpell zu filetieren vermag) harmonieren mit dem Deathgrowls ebenso gut wie mit den mal fröhlichen, mal pathetischen Chören und der männlichen Klarstimme.

Da beginnt eine Pianolinie („Gengangaren“) so traurig als wäre sie von Eric Satie und entpuppt sich bei Einsatz von Gitarre und Drums als Hymne zum Folkstrauertag mit Deathdoomaffinität. Bis dahin hat man bereits so viele verschiedene Atmosphären (Arv: archaisch, roh virtuos) genießen dürfen, dass einem sogar das vorletzte Stück, das swingende, leicht angejazzte und sehr moderne Interludium „Prunkende, stolt i Jokumsol“ als ganz natürlich im archaisch-filigranen Kontext erscheint. (Es erinnert an die Zeit, da THE 3rd AND THE MORTAL zu THE THIRD AND THE MORTAL wurden.)

Mir fällt es schwer, die Größe dieses Albums in angemessene Worte zu fassen. Vielleicht so: sehr vieles von dem, was ich an Folk -, Death Doom- und Pagan Metal so schätze und diese Genres zu meinen liebsten macht, taucht hier in mal elegant verschmolzenen, mal kühl analysierten Strukturen auf und hinterlässt mit traumwandlerischer Sicherheit ein logisches und harmonisches Ganzes… auch und gerade da, wo bspw. die Violinen ins Dissonante abdriften und so „Arv“ vor jeder Kontamination durch Kitsch retten. Lebensverliebtheit und Weltschmerz, selten hat das bündiger geklungen… selten waren komplexe Strukturen so nachvollziehbar und Eingängigkeit so verspielt.

Dass echte Kunst, und „Arv“ ist tatsächlich echte Kunst (so sehr wie sonst nur ganz wenige Metal Alben – vielleicht zwei Handvoll) so entspannt und unterhaltsam sein kann, ist bei der Entstehungsgeschichte fast schon wundersam zu nennen…

Jeder, der nur im Ansatz mit Romantik, Melancholie und echter (nicht maskenhafter) Lebensfreude umzugehen weiß, sollte dies Album sein eigen nennen. Ob er mit Folk-Metal ansonsten etwas anfangen kann oder nicht.
Gewarnt sei in soweit: ÁSMEGIN haben nicht nur einen Hang zu echter Kunst, sondern auch zur Skurrilität --zumindest mit den Ohren des Trivialen gehört-- einmal kurz anchecken ist sicher hilfreich.

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