Bruce Soord with Jonas Renkse - The Wisdom Of Crowds

Bruce Soord with Jonas Renkse - The Wisdom Of Crowds
Nicht wenige Fans werden sich „Wisdom Of Crowds“ kaufen, weil die Namen Jonas Renkse (KATATONIA) und Bruce Soord (THE PINEAPPLE THIEF) Erwartungen und Vorstellungen an bestimmte Sorten von Musik wecken. Mein Tipp: Ignoriert die Namen, die auf dem Cover prangen, und geht unvoreingenommen an diese Scheibe heran – auch wenn sich das als nicht ganz einfach herausstellt.

Bruce Soord komponierte das Album und holte sich dann Jonas Renkse ins Boot, um dem Ganzen eine Stimme zu verleihen. In der Tat fällt auf, dass die Vocals sehr weit im Vordergrund abgemischt wurden. Mit „Pleasure“ startet „Wisdom Of Crowds“ noch eher unauffällig. Die melancholische Gitarre, die leichte Elektronik – alles Trademarks, die man schon von Jonas' Hauptband KATATONIA und deren neuesten Alben kennt. Später im Song setzt dann eine Gitarre zum Zwischenspiel an, die etwas an den Sound erinnert, den MUSE vor ihrer Bombastphase (das heißt, zum großartigen "Absolution" Album von 2004) aus ihren Gitarren gezaubert haben. So weit, so gut.

Die erste Stirnfalte zeigt sich jedoch schon beim Anfang des Titeltracks. Neben dezenten MUSE Gitarren bietet der Song etwas sehr seicht-poppiges, man erwartet fast, dass irgendeine Pop-Diva zu einem seelenlosen Charthit ausholt; doch dann erklingt Jonas Renkses großartige Stimme sanft und eindringlich zugleich und wandelt die Atmosphäre. Die immer wieder aufkommende Phrase „Look at how we suffer“ bleibt einem auch lange nachdem der Song verklungen ist im Kopf. Ein Gitarrenpart, der an KATATONIA erinnert, wertet den Song gegen Ende nochmal auf.

Wenn man es geschafft hat, den Song „Radio Star“ zu verarbeiten, hat man schon einen Großteil der Herausforderung gemeistert, die das Album darstellt. Düstere Elektronik leitet den Song ein und lässt einem sofort „DEPECHE MODE!“ durch den Kopf schießen. Plötzlich brechen die Gothic-Wave Sounds ab und Jonas, der vorher in einer dunkleren Stimme passend zur Musik gesungen hat, setzt jetzt zu leisen Klaviertönen zu einem eingängigen, glasklar gesungenen Refrain an, bevor wieder DEPECHE MODE grüßen lassen.

Andere erwähnenswerte Songs sind erstens das im voraus veröffentlichte „Frozen North“, welcher zwar wiederrum schöne Gesangsmelodien aufweist, nach Akustikgitarre und Streichern allerdings völlig unpassend einen elektronischen Ausbruch erleidet (und doch den Höhepunkt des Albums darstellt); vor „The Light“ hatte ich dann wieder Angst, denn der Schlagzeugbeat, der im Hintergrund Schlimmes erahnen lässt, impliziert einen tanzbaren Chartsong, der aber zum Glück ausbleibt. Den beiden Herren scheint es Spaß zu machen, auf dem Grat zwischen guter Musik und kalter Popmusik zu tanzen. Es setzt dann tatsächlich noch ein kurzer Dubstep-Part ein, der einen an den letzten MUSE-Ausfall „The 2nd Law“ denken lässt. Das Album scheint sich über den Hörer lustig zu machen. Was vom Song bleibt, ist eine verfahrene Ballade, die zu viele Dinge vereinen will.

Was ich mir allerdings wünschen würde, nie wieder hören zu müssen – vor allem nicht von Jonas Renkse, der mit seiner Hauptband KATATONIA unglaublich berührende, tiefgehende Musik gezaubert hat – ist ein Song wie „Pretend“. Auf einen leichtfüßigen Pop-Beat folgt einer der eingängieren Songs des Albums. Eine Kostprobe aus den Lyrics:

Don't say you've left me
Don't say it's true
Don't say that I'm without you.
[...]
But I say:
I just can't believe it's true
That i am here, instead of with you

Ich weigere mich zu akzeptieren, dass ein Jonas Renkse solche Plattitüden über einen Popsong singt – bitte, bitte nie wieder! Ich weiß, dass dieses Album ein Experiment ist und jeder sollte mit seiner Kreativität tun und lassen, was er möchte, aber ich persönlich muss diesen Song nicht haben, vor allem wenn man sich anschaut, was der Mann mit seiner Hauptband geleistet hat.

Ich hoffe, ihr verzeit mir diese doch recht lange Rezension – aber als beinharter KATATONIA-Fan muss ich meine Meinung zu diesem Album in etwas mehr Text ausdrücken. Mein Fazit lautet: Wenn man unvoreingenommen und mit einem Faible für poppige und ausladende Experimente an die Scheibe rangeht, mag sie einem gefallen. Daran, dass das ganze handwerklich gut umgesetzt, großartig eingesungen und produziert ist, besteht kein Zweifel. Es bleibt jedoch ein Album, welches extrem Geschmackssache ist.