Spock's Beard - Spock's Beard

Review

Stil (Spielzeit): Retro-Prog/Melodic Rock (77:10)
Label/Vertrieb (VÖ): InsideOut Music/SPV (17.11.06)
Bewertung: 7,5/10

Link: http://www.spocksbeard.com

Wir schreiben das Jahr 4 nach Neal Morse’s Ausstieg aus einer der beliebtesten und erfolgreichsten zeitgenössischen Progrock-Bands. Schrieben viele seinerzeit die aus den restlichen verbliebenen Mitgliedern bestehende Band schon mehr oder weniger ab, waren die darauffolgenden musikalischen Werke zwar umstritten, fanden aber durchaus eine Menge Befürworter. Vom heraufbeschworenen Vollflop kann also gar keine Rede sein. Das 2003er-Album „Feel Euphoria“ war ein etwas unausgegorenes Konglomerat verschiedener, teils spannender, teils krampfig zusammengeschusterter Ideen. 2005 folgte dann „Octane“, das stilistisch in sich deutlich stimmiger war, auf dem aber vor allem straightere Songstrukturen vorherrschten, und das insgesamt etwas ruhig geraten war. Nun liegt das selbstbetitelte neunte Werk vor. Nr. 3 in der „neuen Zeitrechnung“.

„On A Perfect Day“ ist an „Harm’s Way“ vom 98’er Album “The Kindness Of Strangers” angelehnt, was an sich schon mal nicht schlecht ist, auch wenn einige sicherlich krakeelen werden, dass hier der Stil des ehemaligen Frontmanns kopiert wird. Darüber kann man geteilter Meinung sein. Zumindest steckt hier alles drin, was man von SPOCK’S BEARD erwartet. In meinen Augen ein recht schöner Opener mit etwas zu viel Kitsch.

Mit „Skeletons At The Feast“ liefern die Jungs um Nick D'Virgilio ein Instrumentalstück, das recht gut abgeht und eine Menge Ideen versammelt, die nicht unbedingt neu, aber souverän umgesetzt sind. Das macht der Band hörbar Spaß und unterhält den geneigten Progfan.

„Is This Love“ präsentiert sich als viel zu abrupt beginnender Hardrock-Stampfer, was mir nicht besonders viel gibt. Für mich der „Ausfall“ auf dem Album, auch wenn ich nicht zwingend geneigt bin, zu skippen. Hätte ich aber nicht gebraucht.

Auf der Habenseite zu verbuchen ist wiederum „All That’s Left“, eine schön arrangierte Halbballade, die mich ein wenig an die RED HOT CHILI PEPPERS erinnert, was aber wohl am Harmoniegesang liegt. Kompositorisch ist das ganz klar eine angeproggte Melodic-Rocknummer. Gitarrist Alan Morse kommt hier im Backgroundgesang ziemlich deutlich raus und überzeugt mit einer FRUSCIANTEschen Stimmfärbung.

Mit „With Your Kiss“ ist schließlich ein etwas zu lang geratener Dreiteiler an der Reihe. Zu Beginn ist die Nummer eine nette, aber unaufregende Sülz-Popnummer, zwischendrin gibt es einige schräge Akzente, polternde Drums und bluesige Riffs. Der letzte Teil beginnt als Akustik-Nummer bestehend aus Gitarre und gefühlvollem Gesang, bevor wieder die Band einsteigt und wirklich tollen Balladen-Bombast bietet.

„Sometimes They Stay Sometimes They Go“ ist ein richtig relaxt bluesender Slow-Rocker, der vielleicht von LENNY KRAVITZ sein könnte. Alan singt die Leadstimme und lässt mich ein weiteres Mal an JOHN FRUSCIANTE denken. Tolle Nummer.

„The Slow Crash Landing Man“ klingt wie die letzten Ergüsse von PINK FLOYD und haut mich nicht vom Hocker, ist aber recht stimmungsvoll und durchaus unterhaltsam.
„Wherever You Stand“ ist eine groovende Rocknummer mit ein paar Jazz-Sprenklern. Nichts spektakuläres, und mit etwas zu bemühtem Gesang wie ich finde.
Bevor die richtig großen Geschütze aufgefahren werden, zeigen uns SPOCK'S BEARD noch einmal beeindruckend, wie gute Balladen sie gerade ohne Neal Morse zu schreiben imstande sind. „Hereafter“ ist eine richtig großartige Piano-and-Voice-Ballade. Gefühlvoll, ergreifend, irgendwie sehr retro, funktioniert für mich. Bitte in Zukunft mehr in der Richtung!

Der Longtrack „As Far As The Mind Can See” stellt  für mich den Höhepunkt des Albums dar. Auch wenn hier mal wieder das Rad nicht neu erfunden wird, unterhält der Vierteiler mich prächtig. Toll komponiert und arrangiert, die Teile sind überzeugend aneinandergefügt und warten mit einer Menge schöner Ideen auf. Mein Favorit: „They Know We Know“. Das kommt einem bekannt vor, ist aber nichtsdestotrotz ein Ohrwurm mit toller Melodie, tollem Text und sehr schönen Bläserparts. So abgelutscht die Idee mit dem Kinderchor auch ist, das passt hier einfach wie die Faust aufs Auge.

„Rearranged“ ist für mich der beste Schlusstrack von den drei Post-Morse-Alben. Fängt langsam und sehr elektronisch an, wird aber zu einem richtig gut abgehenden Rocker mit krachenden Gitarren und Schweineorgel.

Macht unterm Strich ein überdurchschnittliches Album mit einem „gefühlten“ Plus für die hörbare Spielfreude. Für Fans auf jeden Fall einen Probelauf wert!