Mötley Crüe und Neil Strauss - The Dirt

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Label/Vertrieb (VÖ): B&T Verlag  (01.02.2006)

Link: http://www.motley.com
MÖTLEY CRÜE waren mit Sicherheit in ihren ersten Jahren eine der Bands, die die Worte „Sex, Drugs & Rock’n Roll“ wie kaum eine andere Band zu ihrem Lebensmotto machten. Von daher war eine Biografie eigentlich schon länger überfällig. 
Unter dem Titel „The Dirt“ und in Zusammenarbeit mit Neil Strauss wurde die Karriere der Band, die wohl alle Klischees des Rock Business bedient, äußerst kurzweilig und unterhaltsam zu Papier gebracht. D
a neben den vier Original – Bandmitgliedern, und Jon Corabi, der den kurzfristig gefeuerten Vince Neil am Mikro ersetzte, auch noch weitere Personen aus dem Umfeld der Band, wie zum Beispiel die Manager Doc McGhee und Doug Thaler zu Wort kommen, die eine zum Teil sehr kontroverse Sicht der Geschehnisse hatten, wird „The Dirt“ zu einem Buch, dass man nur ganz schwer aus den Händen legen kann. 

Vince Neil, Nikki Sixx, Mick Mars und Tommy Lee beginnen ihre Geschichte lange bevor an MÖTLEY CRÜE überhaupt zu denken war, nämlich in ihrer Kindheit. 
Hier beschreiben sie, in welchen Verhältnissen sie aufwuchsen, und wie sie das erste mal mit ihrer großen Leidenschaft, der Musik in Berührung kamen, und wie sie sich untereinander kennen lernten, und was sie von den jeweils anderen dachten, als sie ihre Wege das erste mal kreuzten. 
Immer abwechselnd und immer kurz und bündig wechseln die Erzähler in ihren Ausführungen, wodurch ich beim Lesen immer das Gefühl hatte zu denke: „Ein Kapitel geht noch“. Und wenn man einmal beim Start von MÖTLEY CRÜE als Band im Mötley House angekommen ist, wie die Jungens ihre erstes Domizil nannten, in dem sie sich mit Kakerlaken um die verschimmelten Lebensmittel prügelten, rennt man förmlich durch die zwölf Kapitel. 
Allerdings bleibt es nicht immer bei der Beschreibung von ausschweifenden Partys, Rock’n Roll, Alkohol und Drogenexzessen, und Girls, Girls, Girls, bei deren sehr ausführlichen Beschreibungen doch schon mal der Neid beim Lesen aufblitzen kann. Denn im zweiten Teil wechselt die Stimmung von der Euphorie ihres Erfolges in die traurige Situation, in die sich die Vier durch ihren Lebensstil selber manövriert hatten, und mit der sie sich in dem Buch sehr selbstkritisch auseinander setzen. 

Ab einem bestimmten Punkt waren sie nicht mehr in der Lage, ihre Probleme selber zu bewältigen, wodurch sie alle eine ganze Reihe von Entziehungskuren, teils freiwillig, teils vom Management zwangseingeliefert, absolvieren mussten. Hier wird beim Lesen aus dem Neid sehr schnell Mitleid. 
Den Höhepunkt ihrer eigenen Hilflosigkeit erreichten MÖTLEY CRÜE, als sie sich von Sänger Vince Neil trennten, wobei sie heute noch nicht sicher sind, ob er gegangen ist, oder der Rest der Band ihn gefeuert hat. Das Kapitel, in dem Vince Neil um das Leben seiner kleinen Tochter Skylar kämpft, die im Alter von vier Jahren den Kampf gegen den Krebs verliert, lässt nur annähernd erahnen, was in dem Mann zu dieser Zeit gefühlsmäßig los gewesen sein muss. 
Keine Band, kein Erfolg, eine nicht funktionierende Beziehung und der Tod seiner über alles geliebten Tochter machen aus dem Womanizer Vince Neil den wohl einsamsten Menschen auf der Welt. Aber auch bei MÖTLEY CRÜE lief zu dieser Zeit nicht viel. Denn John Corabi, der als zweiter Gitarrist und Sänger seinen Platz einnahm, und mit Sicherheit ein gestandener Musiker ist, konnte Vince Neil nie wirklich ersetzen, weil er von den anderen drei Musikern nie eine richtige Chance erhielt. 
Hier wird auch klar, das MÖTLEY CRÜE nur funktionieren, wenn sie im Original Line Up spielen. Die Situation erinnert mich, wenn auch nicht ganz 100% an die Situation bei MEATALLICA, als Jason Newsted den bei einem Unfall verunglückten Ur- Bassisten Cliff Burton ersetzen musste. 
Auch wenn er einen wirklich tollen Job ablieferte, war er für James Hetfield und Lars Ulrich immer nur „der Neue“, der Cliff nie ganz ersetzen konnte. 

Die folgende Tour endete in einem Debakel, und musste vorzeitig abgebrochen werden, da anstatt der 20.000er Hallen nicht einmal mehr kleine Clubs ausverkauft werden konnten, und jetzt wurde es auch Nikki Sixx, Mick Mars und Tommy Lee klar, dass es ohne Vince nicht funktionieren kann, und man arbeitete an einer Lösung, welche die Band wieder zusammen bringen würde. 
Da MÖTLEY CRÜE heute wieder zusammen die großen Hallen füllen, auch wenn sie vielleicht nicht mehr unbedingt die allergrößten Freunde werden, die sie zu Beginn ihrer Karriere waren, zeigt, dass aus den rockenden Kids der Achtziger inzwischen erwachsenen Menschen geworden sind, die nach all ihren Eskapaden auch gelernt haben, dass man in diesem Geschäft auch schon mal Kompromisse eingehen muss, und man mit dem Kopf durch die Wand vielleicht einen Kampf, aber niemals den ganzen Krieg gewinnen kann. 

Was mich nach dem Lesen von „The Dirt“ am meisten überrascht hat, ist die Tatsache, dass Gitarrist Mick Mars, den ich auf Grund seiner, sagen wir mal vorsichtig, unkonventionellen Bewegungen bei seinen Live Perfomance für den allergrößten Junkie gehalten hatte, eigentlich noch der ruhigste und bodenständigste  Vertreter der Band war, der sich hauptsächlich deshalb regelmäßig mit Alkohol abgeschossen hat, weil er an einer unheilbaren Knochenkrankheit leidet, und sich vor Schmerzen kaum auf der Bühne halten konnte. 
Ich kann „The Dirt“ wirklich jedem Musikfan, aber auch jedem, der gerne kurzweilige Bücher liest, empfehlen. Bei mir haben die über 450 Seiten gerade mal drei Tage gehalten, da war ich durch, weil das Buch so toll geschrieben ist, dass einen dieser „eine Seite geht noch“ Effekt bis zur letzten Seite bei der Stange hält. Für MÖTLEY CRÜE Fans ist das Buch sowieso eine Pflichtlektüre. 


ISBN 10: 0060989157
ISBN 13: 978 -0060989156
448 Seiten

Dirk

Musik: Hard Rock, Heavy Metal, Power Metal, Blues

Bands: Thin Lizzy, Gary Moore, Dio, Savatage, Bloodbound, Y&T, Edguy, Iron Maiden, Judas Priest, W.A.S.P.

Aktueller Dauerrotierer: Herman Frank - The Devil Rides Out