Hong-Kong, die Philippinen, Indonesien, Singapur, Malaysia, Thailand. Klingt nach einer netten Route für Rucksacktouristen. Aber Felix Bundschuh und Diana Ringelsiep suchten weder sich selbst noch religiöse Erfüllung oder interessante Selfiespots. Sondern Punk, Streetart und Menschen, die gegen das System rebellieren.
Mission: subkulturelle Szenen connecten
„Ich versuche, die Szenen auf internationaler Ebene zu vernetzen“, sagt Felix in einem Interview bei The Punk Connection, einer philippinischen Radioshow. „Aber ich möchte die einzelnen Akteure auch untereinander connecten … ich möchte sie aufeinander aufmerksam machen und sie auf den neuesten Stand bringen, was andere Szenen betrifft.“
Diese Mission verfolgten Felix und Diana reichlich planlos. Felix – zunächst allein unterwegs – landete ohne jede Recherche in Hong Kong und war dann erstaunt, so gut wie keine Subkultur zu finden. Wie gut, dass er sich davon nicht entmutigen ließ, denn die verpeilte Art und Weise, wie er und später auch Diana auf Bands, Gigs und Ausstellungen treffen, macht einfach Spaß. Bei der einen Gelegenheit wurden sie diesem Typen vorgestellt, der kannte eine Band, die lud sie in den Proberaum ein, dort lagen Flyer rum und auf der Show, die der Flyer bewarb, lernten sie eine Künstlerin kennen. So ungefähr. Ich werde an Orte mitgenommen, die die allermeisten Touristen wohl eher nicht sehen werden. Allein deswegen lohnt sich die Lektüre.
Reise nach Berlin? Drei Jahre Knast!
Aber ich erfahre auch jede Menge über Bands, Künstler, Menschen, Kultur und natürlich Subkultur: Wie gehen Punks in Südostasien mit kleinbürgerlichen Tendenzen innerhalb der Szene um? Wie mit staatlicher Repression? Welche Rolle spielt Religion? Die Antworten auf diese Fragen sind jeweils Meinungen einzelner Personen, oftmals in Interviewform festgehalten. Diese Interviews lockern die Reiseberichte auf, die stellenweise etwas zu ausführlich sind. Außerdem ist der Text dicht gesetzt und wird mir oft als schwarzer Block gegen die Stirn geknallt. Neben den Interviews sollten wohl auch die E-Mails und What's-App-Protokolle für Abwechslung sorgen, aber diese Texte sind so belanglos, das hätten sich die Autoren gerne sparen können.
A Global Mess ist sehr schön aufgemacht, mit dickem Papier, durchgehend vierfarbigem Druck und jeder Menge Fotos. Es macht Spaß, im Buch zu blättern und wer nicht von Buchdeckel zu Buchdeckel lesen mag, kann mal hier, mal dort reinschnuppern. Dann ist das Risiko, großartige Geschichten zu verpassen, allerdings recht hoch, etwa die von den Straßenkötern, die Jagd auf Felix machen. Die von Maik, der Frohnatur, der Folter und Vertreibung hinter sich hat. Die von Syahida, einer Künstlerin, die für eine Reise nach Berlin drei Jahre Knast riskiert. Die von ...
Mangelware Selbstreflexion
Was mir zu kurz kommt, ist Selbstreflexion. Die wird nur angedeutet, etwa wenn die beiden Autoren günstige H&M-Ausbeuter-Shirts kaufen, um sie voll rebellisch mit Parolen gegen Polizeigewalt zu bedrucken. Aber was ist mit all den Vorurteilen Polizisten gegenüber oder Menschen, die nicht sichtbar zur Punk-Szene gehören? Und gegen Backpacker? Felix ist erleichtert, als er endlich "normale Menschen" (= Punks) trifft. Wenn Backpacker Preise drücken ist das uncool, Felix und Diana dürfen Händler und Taxifahrer aber selbstverständlich runterhandeln. Und: Warum muss Subkultur überhaupt Punk sein und die Pfade der westlichen Kultur verfolgen? Das hätte mich wirklich interessiert.
Vielleicht gehören diese Widersprüche und unbeantwortete Fragen aber auch einfach dazu. So ist es ein vielseitiger und authentischer Bericht geworden. Eine großartige Reise – und ich fänds dufte, wenn A Global Mess global weiterging. Demnächst dann eine SubkulTOUR nach Westafrika oder Zentralamerika oder so.
Übrigens: Wer sich gerne die Musik der Bands aus dem Buch anhören möchte, aber keine Lust auf Internetrecherche hat, kann auch einen Vinylsampler kaufen, der bei Concrete Jungle erschienen und auf 50 Pressungen limitiert ist. Die 12-Track-LP wird mit Booklet, Bonus-CD und Poster verschickt.
Weitere Infos gibt es beim Verlag oder direkt auf der Homepage der beiden Abenteurer.