Dichter dran an der Szene geht nicht
Laut Braun wurde ihm von den Punks zu Anfang vorgeworfen, ein verdeckter Ermittler zu sein. Der Zweifel ging, der Name blieb und gab dem Bildband seinen Namen. Dass der Fotograf nicht nur für eine kurze Fotoreportage reingeschnuppert hat, sondern mehrere Jahre Teil der Szene war, merkt man. Denn näher als mit diesen Fotos kommt man nicht ran.
Steve Brauns Foto-Stil: Der dynamische Schnappschuss
Abgesehen von einer Handvoll Porträts bleibt Steve Braun in einem Stil, den man als “dynamischen Schnappschuss” vielleicht am besten beschreibt. Mitten drin im Gelage und sicher selten selber nüchtern, hat er draufgehalten. Man sieht in “V-Mann” also reihenweise partyselige, bunthaarige Gestalten, die sich in den Armen liegen, die Flasche geben oder – offenbar sehr beliebt in der Szene – die Hosen runterlassen.
Vor allem letzteres macht das Buch zu einem Coffeetable-Book der anderen Art. Wer die Verwandtschaft verstören will: Einfach “V-Mann" rumliegen lassen (ich hab’s ausprobiert, es klappt).
Eine Sammlung unscharfer Bilder von Besoffenen – oder mehr?
Das Feuilleton würde wohl naserümpfend anmerken, dass das Buch einfach nur eine Sammlung unscharfer Bilder dreckiger Besoffener in dreckigen Drecksbuden ist, Mehrwert: gering. Kann man so sehen.
“V-Mann” ist aber auch ein Blick in eine Szene, von der man nicht viel mitbekommt, vielleicht gar nicht dachte, dass sie noch aktiv besteht. Eine Szene, die ohne Rücksicht auf (auch gesundheitliche) Verluste ihre Vorstellung von Leben durchzieht und dabei extrem eng zusammenhält. Sich die Rückkehr in die Bürgerlichkeit mit Anarcho-Tattoos im Gesicht konsequent selbst verwehrt. Das ist der Faktor, der “V-Mann” faszinierend macht.
“V-Mann”: Ein besonderes Buch
Zusätzlich zu den zahlreichen Fotos gibt es einige Texte, die die Nürnberger Punk-Szene selbst beigesteuert hat. Die Stadt ist offenbar eine Hochburg der APPD (Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands); deren bayrischer Landesvater Nille Hangoverson und andere Würdenträger der Partei tragen für das Buch Anekdoten und Gaga-Texte bei. Die sind nur zum Teil literarisch wertvoll, runden den Gesamteindruck, den man vom Selbstverständnis der Punkszene bekommt, aber gut ab.
Insgesamt ein besonderes Buch für alle, die ein Herz für echte Szenen und echte gesellschaftliche Außenseiter:innen haben. “V-Mann” gibt es für 35 Euro beim Hirnkost-Verlag zu kaufen.