John Wray: Gone To The Wolves

John Wray: Gone To The Wolves
    Coming-of-Age Fiktion

    Label: Macmillan US
    VÖ: Mai 2023
    Bewertung:8 von 10 Punkten


Kaputte Familien, und dann auch noch Florida: nichts als alte Leute, rassistische Cops und Langeweile. Und doch scheinen die drei Jugendlichen Leslie, Kip und Kira zur besten Zeit am besten Ort zu leben. Denn Ende der 80er Jahre entsteht um sie herum etwas aufregend Neues – Death Metal.

Die drei pilgern von Show zu Show und finden einen Sound, der sie die Realität etwas leichter ertragen lässt. Dann flüchten sie nach Los Angeles, doch die Glam-Szene des Sunset Strip kann die seelischen Schmerzen nicht lindern, im Gegenteil – die drei entfremden sich, auch musikalisch. Während Leslie sich nach traumatischen Erlebnissen aus jeglichen Szenen ausklinkt, ist Kira von den Versprechungen eines neuen Sounds aus Norwegen fasziniert, bis sie plötzlich spurlos verschwindet. Kip muss nun nicht nur sein eigenes Leben auf Spur bringen, sondern womöglich auch das seiner alten Freundin retten.

Bücher, die in der Metal-Szene spielen, sind meistens Mist: Die Musik ist nicht mehr als ein überflüssiges Gimmick, das weder die Geschichte noch die Charaktere weiter bringt. "Gone To The Wolves" ist anders. Was das Buch von Wacken-Krimis und ähnlichen Seichtigkeiten unterscheidet: Wray platziert seine Story nicht einfach "in der Szene". Stattdessen sieht und nutzt er die Entwicklung einer kleinen, spezifischen Subkultur als historisches Ereignis, das seiner Story Kontext und Tiefe verleiht.

Ohne die Brutalität des Death Metal, die selbstverliebte Oberflächlichkeit des Glam (unter der deutlich drastischere Brutalität schlummert) und das Versprechen von Wahrheit und Echtheit des Black Metal würde die Story von Leslie, Kip und Kira nicht funktionieren. John Wray verwebt die Musik und deren Bedeutung eng und untrennbar mit dem Innenleben seiner Charaktere. "Gone To The Wolves" ist ein dreifaches Psychogramm, zu dem das Thema Metal ein passend dunkles Grundrauschen liefert.

Funktioniert das Buch auch für Leser:innen, die noch nie von DEATH oder OBITUARY gehört haben? Die keine Ahnung haben, welche Anziehungskraft der Sunset Strip für zahllose Möchtegern-Rockstars hatte? Die nicht wissen, dass es diesen Plattenladen in Oslo, geführt von Øystein Aarseth alias Euronymous, wirklich gegeben hat? Vielleicht nicht.

Ein wichtiger Teil der Lektüre ist das aufregende Kribbeln bei der Vorstellung, den jungen Chuck Schuldiner in einem Jugendclub live zu sehen, oder das erste Demo von CANNIBAL CORPSE auf Tape zugesteckt zu bekommen. Die Bilder im Kopf zu haben, wenn es um Spandex und KING DIAMOND geht. Doch auch wenn John Wray offenbar bewusst für ein bestimmtes Publikum schreibt, geht es in seiner Geschichte nicht primär um Metal, sondern um Jugend, Freundschaft, Liebe und den Kampf um ein Leben ohne den schrecklichen Ballast, der Familie sein kann.

Deutsche Fassung: "Unter Wölfen"

Helge

Stile: Doom Metal, Black Metal, Post Rock, Stoner, Prog

Bands: My Dying Bride, Opeth, Nachtmystium, Saint Vitus, Genesis