Aus einem kürzlich geführten Telefonat:
Ich: ...hab' heute die John Cale - DVD bekommen…
Bekannter: John Cale? Ist das der mit „Cocaine“?
Ich: Ääh, nee… wie alt warst du doch gleich?
Deshalb sicherheitshalber noch einmal für alle unter … 30? 40?:
Der mit „Cocaine“ war J.J. Cale; der heißt zwar auch John, aber unser hier ist Brite und war eher da. Besonders eindrucksvoll bis `68 bei THE VELVET UNDERGROUND. Danach unter eigenem Namen und mit eigener Band. An die Breitenwirkung von VU kam er zwar nie wieder heran, aber sein Einfluss auf andere Musiker ist kaum zu überschätzen.
Im Rahmen des Rockpalasts trat er zwei Mal auf. Der zweite Auftritt am 13. Okt. 1984 in der Grugahalle, Essen befindet sich auf DVD 1 und zeigt einen lässig gereizten und etwas distanziert wirkenden Cale zwischen Lakonie und Exzess. Sein nicht unelegantes Outfit samt Sonnenbrille sagt: Wir haben die 80er. Die Musik scheint das zu bestätigen; aber Cale hat seine Wurzeln in der 60er Avantgarde… weshalb die Nummern einen Charme versprühen, der in den 80ern kaum mehr anzutreffen war. Neben diversen Sachen vom seinerzeit aktuellen „Caribean Sunset“-Album kommen diverse All-Time -Classix zu Ehren. So auch VUs „Waiting for the Man“ und Elvis’ „Heartbreak Hotel“. Allein diese Interpretationen rechtfertigen schon die Anschaffung. Und krönen doch nur ein extrem intensives Konzert, das sicher mit zu den besten der Historie des Rockpalasts gehört. „Normalen“ Rock höre ich eigentlich schon seit Ewigkeiten nicht mehr, aber Cales Vortrag reißt einfach mit. Da braucht’s auch keine Bildschnitttechnik des 3. Jahrtausends oder wilde Lightshow.
Aber man hat dann doch ein Gimmick in der Hinterhand… Das Interview, das vor dem Gig stattfand, ist ein absoluter Burner. Die Journalistenkoryphäe hält den Drummer (Sticks in den Händen und mindestens 15 Jahre zu jung) mit dem gerade nicht anwesenden Maestro himself. Dave Lichtenstein versucht zwar sofort und noch mehrfach für Klarstellung zu sorgen, wird aber konsequent ignoriert… Phänomenal! (Nur gut, dass Alan Bangs frei hatte! )
Ein Jahr vorher war Cale allein und akustisch in der Zeche Bochum. Mit anderer Sonnebrille und wesentlich besinnlicher. Und so stören Überschneidungen in der Setlist nicht; im Gegenteil, schön sind die Kontraste zu beobachten (nicht nur beim „Heartbreak Hotel“). Und an Intensität ist der Gig auch nicht schwächer. Der Waliser hat einfach Esprit. (Deshalb habe ich die DVDs auch wirklich mehrfach geguckt, und nicht wie sonst einmal geguckt, danach nur noch gehört.) Und er hat eine wunderbare Stimme. Und so sind schöne Nummern wie Buffalo Ballet oder Chinese Envoy gleich mal wunderschön. Dabei nie zu süß, immer mit dem Geschmack der bitteren Neige. Und wie wütend, sick und aggressiv Musik sein kann, die nur von akustischer Gitarre oder vom Flügel gestützt wird, davon kann sich bei „Cable Hogue“ oder beim Klassiker „Fear is Man’s Best Friend“ nochmals ein scharfes Bild machen.
Fazit: Intensität, Intelligenz, Emotionen, Charisma… im geschmackvollen Doppelpack. Mehr geht wohl kaum.
DVD 1: 01:Autobiography 02:Oh La La 03:Evidence 04:Magazines 05:Model Beirut Recital 06:Streets Of Laredo 07:Dr. Mudd 08:Leaving It Up To You 09:Carribean Sunset 10:The Hunt 11:Fear Is A Man's Best Friend 12:Heartbreak Hotel 13:Paris 1919 14:Waiting For The Man 15:Mercenaries (Ready For War) 16:Pablo Picasso/Love Me Two Times 17:Close Watch | DVD 2: 01:Ghost Story 02:Ship Of Fools 03:Leaving It Up To You 04:Amsterdam 05:A Child's Christmas In Wales 06:Buffalo Ballet 07:Antartica Starts Here 08:Taking It All Away 09:Riverbank 10:Paris 1919 11:Guts 12:Chinese Envoy 13:Thoughtless Kind 14:Only Time Will Tell 15:Cable Hogue 16:Dead Or Alive 17:Waiting For The Man 18:Heartbreak Hotel 19:Chorale 20:Fear Is A Man's Best Friend 21:Close Watch 22:Streets Of Laredo |