Geschrieben von Thomas Donnerstag, 12 Januar 2006 20:28
Within Temptation - The Silent Force Tour DVD/CD (Deluxe Edition)
Stil (Spielzeit): Gothic-Metal (Hauptkonzert ca. 87min / Bonus-CD ca. 76min)
Label/Vertrieb (VÖ): GUN/Sony BMG (18.11.05)
Bewertung: Viel drin, viel dran (8/10)
Link: www.withintemptation.nl
Manche Rezensionen brauchen ihre Zeit. Das kann verschiedene Gründe haben – möglicherweise handelt es sich um ein dermaßen lächerliches zu Rezensierendes, dass der Autor betreffenden Schriftstückes erst aus dem Lachkoma (man beachte das Wortspiel) erwachen muss, um die Arbeit fortzusetzen. Möglicherweise hat auch nur irgendwer gepennt. Eine dritte Möglichkeit allerdings ist, dass tatsächlich die Zeit mehrer Wochen benötigt wird, um sich mit der Sachlage angemessener Aufmerksamkeit durch das Opus Delicti (schon wieder ein Wortspiel) zu wühlen. Und – der geneigte Leser mag anhand dieser Bombenhinleitung schon den Braten gerochen haben – genau hierum handelt es sich in diesem Fall. WITHIN TEMPTATION liefern uns mit der Deluxe Edition ihrer zweiten Live-DVD unter dem Titel „The Silent Force Tour“ eine – nun ja, nennen wir’s mal – Arbeitsmappe, unter deren Erstbetrachtung der geneigte Heavy-Metal-Redakteur angesichts der darauf verewigten Videoschnipsel der letzten drölfundzwanzig Festivalgigs, dreihundertsiebenundzwanzig Interviews und dreihundertzweundfünfzigtausendachthundertundzwölf Bilder zunächst einmal kräftig nach Luft schnappt. Klar sind Bonusmaterialien auch was schönes, und so nimmt man sich eben mal ein Wöchelchen Auszeit vom Alltag, stöpselt das Telefon aus, informiert die Nachbarn sowie die Polizei über die Abwesenheit und deckt sich mit Alkoholika, reichlich Eiweißnahrung und Süßkram ein. Heißa, der Spaß beginnt!
Schick kommt das Teil ja schon daher: Im schmucken Digipak-Falt-Gewand hat der Käufer von Anfang an das Gefühl, angemessenen Gegenwert fürs Geld zu bekommen. Zu einer DVD, auf der sich neben dem im Folgenden hauptsächlich beschriebenen Hauptkonzert auf Java Island im Amsterdamer Hafengelände noch jeweils drei Stücke umfassende Auftritte in Finnland sowie beim Rock Werchter in Belgien, sowie alle bislang erschienenen Videoproduktionen befinden, gesellen sich eine DVD randvoll mit bereits angesprochenen Bonusschnipseln und eine Audio-CD mit einem Zusammenschnitt des Amsterdam-Konzertes. Positiv: Diese Flut an Material wurde übersichtlich sortiert und, mit hübsch animierten Menüs versehen, stimmig auf die Datenträger verteilt. Natürlich kann man über den Sinngehalt bzw. die Notwendigkeit von Making Ofs, Bildergalerien, der stundenlangen Präsentation von allerlei Fangewohnheiten und Backstagekram diskutieren, doch letztlich ohne tieferen Sinn, denn wer auf all dies verzichten kann, besorgt sich ohnehin die „pure“ Version der DVD, ohne Schnickschnack. Wobei all dies nicht heißen soll, dass eben dieser Schnickschnack keinen Unterhaltungswert hätte: Für Fans gibt es sicherlich nichts Schöneres als Madame den Adel in Sandalen über zugemüllte Festivalgelände spazieren zu sehen – und alle, die diesen Status nicht erfüllen, mögen von der Deluxe Edition doch bitte die Finger lassen und einfach beim nächsten Abschnitt weiterlesen:
Das Konzert auf Java Island bzw. dessen filmische Umsetzung nämlich kann man nur als ausgesprochen gelungen bezeichnen. Glasklarer Klang und eine gute Hörbarkeit der Band fallen zunächst ins Ohr, jedoch nicht, ohne dabei der Stimmung im Publikum genügend Raum zu lassen. Auch, wenn gerade hierdurch das Teeniegeschrei der vordersten, fast ausschließlich von vor- hoch- und postpubertären Damen und Herren besetzten Reihen (zu) gut zur Geltung kommt. Aber WITHIN TEMPTATION sind in den Niederlanden eben Megastars, drum sei ihnen vergönnt, einen Geräuschpegel zu provozieren, der hierzulande Erscheinungen (nein, den Titel „Band“ kriegen die von mir nicht) wie Tokyo Hotel oder US5 durch ausverkaufte Hallen begleitet. Dafür präsentieren die Holländer einen rundum einfach nur schönen Ausflug in ihre Klanglandschaften, der durch technisch aufwendige Bühneninstallationen, die grandiose Hintergrundkulisse eines lichtergeschmückten Kreuzfahrtschiffes und nicht zuletzt durch eine ausgesprochen saubere musikalische Darbietung besticht, und das in allen Instrumentengruppen. Der Funke weiß trotz des produktionsbedingt großen Bühnengrabens definitiv überzuspringen, und so wippt und hüpft das Publikum, animiert von einer gewohnt gestenarmen Sharon den Adel (kann irgendwer dem Mädchen mal eine andere Handbewegung beibringen, oder ihr zumindest den passenden Teppichklopfer reichen?), die währenddessen gewohnt oft das Kostüm wechselt, dem Sonnenuntergang entgegen. Das Lichtdesign stimmt, die Nebelschwaden wirken atmosphärisch unterstützend – ja, das ganze macht Spaß, und das schon in Stereo. Besitzer einer 5.1-Anlage kommen dank der separaten Tonspur ebenfalls voll auf ihre Kosten.
So hat man nach 01:27:50 das beglückende Gefühl, ganz nah dabei gewesen zu sein an einem wenn auch nicht legendären, so doch in allen belangen gelungenen Konzert. Allen Fans der Musik des Sechsers sei die Scheibe ans Herz gelegt, allen großen Fans die Deluxe-Edition, und allen nietenbesetzten Thrashern ein großer Bogen um dieses ekligbunte Teil. So hat jeder was davon – und der kleine Redakteur seinen Frieden.