Fates Warning - Live In Athens (DVD)


Review


Stil (Spielzeit): Progmetal (Hauptkonzert ca. 90min)
Label/Vertrieb (VÖ): InsideOut Music/SPV (11.11.05)
Bewertung: Tolles Konzert, miese Qualität (6/10)
Link: www.fateswarning.com
Live-DVDs sind eine schöne Möglichkeit, sich etwa zehn Prozent der Atmosphäre in den heimischen vier Wänden bei Lieblingsbier und Kartoffelchips zu Gemüte führen zu können, die beim tatsächlichen Besuch des betreffenden Konzertes aufgekommen wäre. Das schöne daran: Man kann dies immer wieder tun, ohne jedes Mal von einem grinsenden Schwarz gewandeten durch enge Barricades gedrückt zu werden, die letzten Getränkevorräte entrissen zu bekommen und zum Dank noch einen hohen vierstelligen Ökkenbetrag löhnen zu dürfen, bevor man in eine stickige, klimatisch an das südliche Indien zur Monsunzeit erinnernde – nennt man so was Halle oder Hölle? – entlassen wird, wo man den Rest des Abends damit beschäftigt ist, den ständig am Dehydrationspegel kratzenden Wasserhaushalt des geschundenen Körpers mit Hopfenkaltschale für vierfuffzich pro nullkommazwo auszugleichen.

Also ab in den Player mit FATES WARNING „Live In Athens“ und – genießen? Naja, bedingt.
Was bitte schön machen eure Kameramänner hauptberuflich? Also dassjamal beeindruckend. Bisher konnte ich mir nicht vorstellen, dass man ehrlich die Chuzpe haben kann, derart liderliches Bildmaterial für um die zwanzig Euronen auf den Markt zu werfen. Man möge mir verzeihen, aber wenn ein Kamerateam so offensichtlich nicht mit den Bedingungen eines Hallenkonzertes wie Nebel, wechselnder Beleuchtung und schnellen Bewegungsfolgen zurecht kommt wie hier zu sehen, sollte man sich doch überlegen, ob hier nicht einige Menschen vielleicht den falschen Job ausüben. Das Bild ist durchgehend, egal ob in Totalen, Kamerafahrten oder Close-Ups schwammig und unscharf. Mehr noch, bei Nahaufnahmen fokussiert das Bild oftmals peinlich langsam auf das betreffende Objekt – man beachte so manche Einstellung von Nick D’Virgilio. Hätte ich die Aufsicht über diesen Haufen, ich hätte außerdem die betriebsinterne Kaffeemaschine vor dem Gig stilllegen lassen – möglicherweise hätte so die doch sehr störende Wackelei in jeder zweiten Totale vermieden werden können.
Zumindest die verantwortlichen Tontechniker scheinen glücklicherweise bei der Abschlussprüfung auf der Hochschule nicht notorisch abgeschrieben zu haben: Zwar wenig druckvoll, so weiß der Sound doch zumindest durch räumliche Staffelung und Transparenz zu überzeugen. Wobei sich auch hier die Frage stellt, warum man bei einer Band dieser Größenordnung nicht fähig war, einen 5.1-Surround-Mix auf die Beine zu stellen – erstaunlich, wenn nicht sogar ein wenig ärgerlich. So bietet sich tatsächlich nur die Möglichkeit, den Konzertfreuden in 2.0-Stereo zu frönen.
Die musikalische Darbietung ist – mit wenigen Worten – FATES WARNING at its best. Hier gibt’s ausnahmsweise fast nix zu meckern; wer die Urgesteine kennt, weiß, was ihn erwartet, für alle anderen sei gesagt: Hier wird Progmetal vom Feinsten kredenzt, sauber vorgetragen in allen Instrumentengruppen, besonders hervorzuheben Nick D’Virgilio (SPOCK’S BEARD), der sich als Gastdrummer die Ehre gibt und seine Sache mehr als solide macht. Einzig Ray Alder war schon besser drauf, seine Vocals wirken teilweise etwas angestrengt, wenn auch bezüglich Intonation und Stimmstabilität in Ordnung. In der Setlist indes findet sich das Beste der letzten Jahre FATES WARNING, zu Perlen vom letzten Album „X“ wie Simple Human und Another Perfect Day gesellen sich Höhepunkte der jüngeren Bandvita wie Teile von A Pleasant Shade Of Gray, Point Of View und Still Remains. Balladeskes sucht man fast vergeblich, sei’s drum – FATES WARNING geben an die neunzig Minuten Vollgas, und das griechische Publikum dankt es ihnen mit einer Leidenschaft, die so wohl nur Südländische Gemüter an den Tag legen können.
Ganz im Gegensatz zur Bildqualität sparte man auf „Live in Athens“ nicht an der Beigabe von Bonusmaterial – und hier hätte man’s tatsächlich besser getan. Am interessantesten erscheint wohl noch der aus zwei Stücken bestehende Auftritt beim „Holland Headway“ Festival mit Trommelgott Mike Portnoy (DREAM THEATER) hinter den Kesseln. Wer während des Hauptkonzertes allerdings gedacht hatte, die Bildschärfe sei nicht mehr zu unterbieten, wird hier eines besseren belehrt. Kein Kommentar. Weiterhin soll uns ein Zusammenschnitt Bulgarischer TV-Schnipsel nach Art einer Behind-The-Scenes-Doku erfreuen, und das – haltet euch fest – OHNE Übersetzung oder Untertitel irgendeiner Art! Wer also in der unglücklichen Lage ist, wie ich des Bulgarischen nicht mächtig zu sein, kann sich entweder am Konsonantenreichtum erfreuen, einen Volkshochschulkurs belegen oder entnervt den Player aus- bzw. zumindest stumm schalten. Nichts gegen unsere Europäischen Mitbürger, aber wenn im Budget für eine DVD, die für nicht gerade wenig Geld an den Mann gebracht wechseln soll, nicht einmal die Monete für einen Übersetzer enthalten ist, mache ich mir schon so meine Gedanken. Zumindest einige Konzertausschnitte sowie Teile von Soundchecks etc. gewähren interessante Einblicke.
Wem bei diesen Ausführungen nun allerdings die eingangs erwähnten Kartoffelchips im Halse stecken geblieben sind, der sei beruhigt. Denn hätte so ziemlich jede andere DVD unter diesen Voraussetzungen maximal ihre vier Pünktchen kassiert, musizieren hier immer noch – richtig – FATES WARNING. Und die sind nun mal so gut, dass sie über viele der angeführten Kritikpunkte mühelos hinwegtrösten. Für Fans des Ami-Dreiers ohnehin ein Muss, sollte jeder Fan anspruchsvollen, modernen Progmetals ein Auge und – vor allem – Ohr riskieren. Und dann ab auffe Couch…