Steve Hackett - Wuthering Nights: Live In Birmingham (2DVD/2CD)

Steve Hackett - Wuthering Nights: Live In Birmingham (2DVD/2CD)

Auch 40 Jahre nach seinem Ausstieg bei GENESIS lässt STEVE HACKETT seine Vergangenheit auf der Bühne Revue passieren.

Neuestes Zeugnis ist "Wuthering Nights: Live In Birmingham", das während der letzten "Genesis Revisited & Classic Hackett"-Tour in der Birmingham Symphony Hall in der englischen Arbeiterstadt aufgenommen wurde.

In zwei Sets präsentiert der Gitarrist und Sänger zusammen mit Roger King (Keyboards), Gary O'Toole (Drums), Rob Townsend (Saxophon, Flöte), Nick Beggs (Bass), Sänger Nad Sylvan sowie den beiden Special Guests John Hackett und Amanda Lehmann in mehr als zwei Stunden seine besten Solo-Kompositionen und Klassiker seines ehemaligen Brötchengebers. Der Fokus des GENESIS-Materials liegt anlässlich des 40. Geburtstags von "Wind & Wuthering" auf eben jenem letztem Album, das mit Hackett eingespielt und mitkomponiert wurde.

HACKETT brilliert im Solo-Teil

Zuvor wartet der erste Teil mit einer knapp 55-minütigen Auswahl an Fan-Favoriten bis hin zu Material des 2017 erschienenen Studiowerks "The Night Siren" auf den Hörer und Zuschauer ("Wuthering Nights: Live In Birmingham" erscheint als 2DVD+2CD, Blu-ray und Digital Download). Highlights sind das warme "Every Day" mit seinen wundervollen Melodien, das famos-vertrackte "The Steppes" und der Longtrack "Shadow Of The Hierophant" vom 1975 erschienenen Debüt "Voyage Of The Acolyte" mit weiblichen Gast-Vocals und einem wahrhaft epischen Abschluss, der für das Grande Finale in DREAM THEATERs "Finally Free" vom grandiosen "Scenes From A Memory"-Output Pate gestanden haben muss.

Die größtenteils instrumentalen Solo-Stücke werden auf den Punkt genau interpretiert, wobei selbstredend Hacketts Gitarre im Mittelpunkt steht. Auch wer bislang nicht mit STEVE HACKETT in Berührung gekommen ist, wird dank markanter Harmonien schnell mit den acht Songs, die sich musikalisch an frühe GENESIS anlehnen, warm.

Der GENESIS-Teil ist nicht ganz so überragend

Mit 75 Minuten Spielzeit wird dem "Genesis Revisited"-Teil dann im zweiten Teil mehr Platz eingeräumt. Hackett und seine Band beginnen ihre Zeitreise in die Prog-Geschichte gleich mit fünf Nummern von "Wind & Wuthering". Nach dem ewigen Klassiker "Eleventh Earl Of Mar" performen STEV HACKETT zum ersten Mal überhaupt "One For The Vine". Nach "Blood On The Rooftops" ebnet das vertrackte Instrumental "In That Quiet Earth" den Weg für das ewig schöne, wundervoll-warme "Afterglow".

Danach freuen sich GENESIS-Gourmets über fünf Zugaben: "Dance On A Volcano", die B-Seite "Inside And Out" (ebenfalls eine Live-Premiere), die zeitlosen Epen "Firth Of Fifth" und "The Musical Box" sowie das Instrumental "Los Endos". Für genügend klassischen Stoff ist auf "Wuthering Nights: Live In Birmingham" also gesorgt.

Umso erstaunlicher, dass mich die Hackett-Nummern deutlich mehr packen als der GENESIS-Backkatalog. Hier will der Funke nur teilweise überspringen. Je öfter ich mir den zweiten Teil von "Wuthering Nights" anhöre, umso eher komme ich zu dem Schluss, dass es nicht etwa am fehlenden Drive oder Charisma der beteiligten Musiker liegt (die sind zwar kein Rutherford, Banks, Stuermer oder Thompson, aber allesamt gestandene, charismatische Musiker) sondern an Vokalist Nad Sylvan. Der klingt Phil Collins zwar verblüffend ähnlich, tönt aber ausgerechnet in den wichtigen Passagen arg dünn und quäkend. Während die Instrumental-Mannschaft absolut routiniert und (fast schon zu) lässig spielt, wackelt die Stimme des Sängers zu oft genau dann, wenn sein Einsatz am wichtigsten ist. Vielleicht hatte Sylvan einen schlechten Abend, doch ohne punktgenaue Vocals verlieren die GENESIS-Nummern einiges von ihrer Faszination.

Nettes Package mit zu wenig Magie bei den Klassikern

Das Drumherum von "Wuthering Nights" hingegen ist nicht zu beanstanden: Das Boxset mit 2 DVDs und 2 CDs gibt's im Online-Handel für unter 20 Euro und bietet viel Stoff zum Sehen und Hören. Zwar kann ich mit der Vorabversion des Videos leider den Surround-Sound nicht bewerten, doch ist der Stereo-Sound sowohl beim Video als auch den CDs warm und voll. Allerdings empfinde ich die (wenigen) Fade-Ins und -Outs zwischen den Songs als störend, insbesondere beim eigentlich nahtlosen Übergang von "In That Quiet Earth" zu "Afterglow". Vielleicht klingt das Ergebnis im fertigen Produkt homogener. Wie es sich für den Mitschnitt eines Prog-Konzertes gehört, ist die Kameraführung erfreulich unaufdringlich. Die Farbenspiele auf der Bühne sind schön anzusehen, und das Kamerateam fängt die einzelnen Musikeran ihren Instrumenten gut und lange ein. Besonders die Gitarrenduelle zwischen Hackett und Lehmann ins in der Nahaufnahme höchst interessant. Man sieht den Musikern einfach an, wie viel Freude es ihnen macht, zusammen auf der Bühne zu stehen.

Die GENESIS-Magie können der ehemalige Gitarrist und seine Mitstreiter nur bedingt herauf beschwören, etwa im Genre-definierenden Gitarrensolo von "Firth Of Fifth" inklusive vollständiger Piano-Einleitung und Klarinetten-Passage, oder das fantastische Gitarrenspiel in "The Musical Box". Die Studio-Versionen und Live-Fassungen der Klassiker auf dem immerhin schon 40 Jahre alten "Seconds Out" stechen die in Details abgewandelten Interpretationen jedoch zu häufig aus, auch wenn es dem Publikum (und der Band) in Birmingham gerade zum Ende hin hörbar viel Spaß macht. An der Live-Präsentation der HACKETT-Nummern gibt's hingegen rein gar nichts zu meckern.

Man darf sich allerdings die Frage stellen, wer nach "The Total Experience Live in Liverpool" (2016), "Genesis Revisited: Live at the Royal Albert Hal" (2014) und "Genesis Revisited: Live at Hammersmith" (2013) schon wieder einen Konzertmitschnitt benötigt, zumal die Trackliste im Vergleich zu den vorherigen Veröffentlichungen kaum Änderungen bietet.

Trackliste

CD 1
1. Every Day
2. El Nino
3. The Steppes
4. In The Skeleton Gallery
5. Behind The Smoke
6. Serpentine Song
7. Rise Again
8. Shadow Of The Hierophant

CD 2
1. Eleventh Earl Of Mar *
2. One For The Vine *
3. Acoustic Improvisation
4. Blood On The Rooftops *
5. In That Quiet Earth *
6. Afterglow *
7. Dance On A Volcano *
8. Inside And Out *
9. Firth Of Fifth *
10. The Musical Box *
11. Los Endos *
(* Genesis track)

Band

Steve Hackett (Gitarre, Vocals)
Roger King (Keyboards)
Nick Beggs (Bass)
Gary O'Toole (Drums & Percussion)
Rob Townsend (Saxophon, Flöte)
Nad Sylvan (Vocals)
John Hackett (Guest)
Amanda Lehmann (Guest)

Chrischi

Stile: Metal und (Hard) Rock in fast allen Facetten

Bands: Metallica, Pearl Jam, Dream Theater, Iron Maiden, Nightwish ...