Ayreon - Ayreon Universe - Best Of Ayreon Live (Blu-ray) Tipp

Ayreon - Ayreon Universe - Best Of Ayreon Live (Blu-ray)
    Progressive Rock

    Label: Mascot Label Group
    VÖ: 30.03.2018
    Bewertung:10/10

    AYREON online


Wenn eine seit mehr als 20 Jahren bestehende Band zum ersten Mal offiziell live spielt, kann man schon mal von der Reaktion der Fans überwältigt werden. So geschehen bei AYREON, die im September 2017 ihr offizielles Live-Debüt gaben – drei Mal in Folge vor ausverkauftem Haus im niederländischen Tilburg. Zum Glück für alle Anwesenden (und erst recht für die, die kein Ticket ergattern konnten) wurde das historische Ereignis als "Ayreon Universe - Best Of Ayreon Live" für eine Veröffentlichung in verschiedenen Formaten festgehalten.

Klotzen, nicht kleckern!

Schon bei der Vorstellung eines ausverkauften Konzertes winkte Arjen Lucassen ab, die Option auf zwei weitere fand er geradezu lächerlich. Dass vom 15. bis 17. September 2017 schließlich über 9.000 Fans aus aller Welt in das innerhalb von einem Tag ausverkaufte Poppodium 013 in Tilburg strömten, hätte der AYREON-Kopf nicht in seinen kühnsten Träumen für möglich gehalten. Plötzlich musste das Organisatoren-Duo um den charismatischen Hünen und Multialent Joost van den Broek überlegen, wie Geld ausgegeben statt eingespart werden konnte.

Statt auf einem kleinen Fernseher werden die sehenswerten Videos und Projektionen also auf einem überdimensionalen Screen vor zwei Risern für Keyboards und Drums (ihrerseits mit LEDs bestückt) dargestellt, mit Nebel, Pyros und Feuerwerk zetteln AYREON "einen verdammten Krieg" (O-Ton Lucassen) auf der Bühne an, und eine illustre Runde an Gästen ist auch an Bord: Von Floor Jansen und Marco Hietala über Hansi Kürsch und Jonas Renkse bis hin zu Damian Wilson und Anneke van Giersbergen. Nicht übel für ein Projekt, das es – abgesehen von der Performance des Albums "The Human Equation" als Theaterstück – seit seiner Gründung 1995 noch nie auf die Bühne geschafft hat.

Die zweistündigen Auftritte sind ein Streifzug durch die komplette AYREON-Historie. Die Songauswahl gerät bei solch einem Ereignis eigentlich zur Nebensache. Natürlich fehlen persönliche Favoriten, und doch ist es Arjen Lucassen gelungen, eine sehr dynamische Auswahl zu treffen, die AYREON von allen Seiten, mit allen Kontrasten und Extremen zeigt, und mit der jeder Fan glücklich sein wird.

Streifzug durch mehr als 20 Jahre AYREON

Nach dem bombastischen "Prologue" beginnt der Abend mit dem atmosphärischen, ruhigen "Dreamtime", bevor das treibende "Abbey Of Synn" erstmals das Poppodium 013 unter markigen Riffs erzittern lässt. Im folkigen "River Of Time" inklusive famosem Flötensolo liefern sich Hansi Kürsch und Marco Hietala eines der prägendsten Duette dieser Show. Zwischen dem BLIND GUARDIAN-Fronter und dem NIGHTWISH-Bassisten knistert es ganz gewaltig, die Stimmen der beiden harmonieren perfekt. Nach dem Doppel "The Blackboard" und "The Theory Of Everything" hat im Ohrwurm "Merlin's Will" NIGHTWISH-Frontelfe Floor Jansen ihren ersten großen Auftritt und das Publikum in Sekundenschnelle im Griff.

Mit seiner melancholischen Stimme kontrastiert KATATONIA-Fronter Jonas Renkse in "Waking Dreams" auch auf der Bühne perfekt die einschmeichelnden Vocals von Anneke van Giersbergen. Nach "Dawn Of A Million Souls" intonieren mit Floor Jansen, Anneke van Giersbergen und Marcela Bovio drei großartige Sängerinnen das kurze "Valley Of The Queens" höchst intensiv. Spätestens bei der letzten Zeile dieses wunderschönen Zwischenstücks sitzt man völlig ergriffen und mit offenstehendem Mund vor dem Bildschirm.

Deutlich riffbetonter und zackiger geht es mit "Ride The Comet" und besonders dem unfassbar fetten "Star Of Sirrah" weiter, in denen NIGHTMARE-Fronterin Maggie Luyten mit ihrer kraftvoll-rauen Rockröhre begeistert. Zu "Comatose" kehren Renkse und van Giersbergen zurück auf die Bühne, im luftig-debilen "Loser" darf Mike Mills seine überdrehte Performance zum Besten geben. Den Abschluss des ersten Teils markiert das fantastische "And The Druids Turned To Stone", in dem der ehemalige THRESHOLD-Fronter Damian Wilson mit einer beeindruckenden Präsenz die Bühne völlig für sich vereinnahmt.

Tighte Band trifft auf hochmotivierte Vokalisten

In "The Two Gates", das den zweiten Part eröffnet, darf John Jaycee Cuijpers (PRAYING MANTIS) ran, während zwischendrin die sympathische Irene Jansen die Band vorstellt. Ed Warby (Drums), Johan van Stratum (Bass), die Gitarristen Marcel Coenen und Ferry Duijsens, Keyboarder und Mit-Organisator Joost van den Broek sowie das Trio Ben Mathot (Geige), Jeroen Goossens (Flöte, Holzbläser) und Maaike Peterse (Cello) sind eine unglaublich tight eingespielte Einheit, die Lucassens Aussage, er würde eben nur mit den Besten auf ihren Gebieten arbeiten, hundertprozentig untermauert.

Das Epos "Into The Black Hole", in der Studio-Version von niemand Geringerem als Bruce Dickinson eingesungen, wird von KAMELOT-Sänger Tommy Karevik gefühl- und kraftvoll auf den Punkt gebracht. Im ruhigen "Actual Fantasy" steht Edward Reekers hinterm Mikro, der auch gleich auf der Bühne bleibt, um mit Robert Soeterboek in "Computer Eyes", AYREONs Pendant zu PINK FLOYDs "Welcome To The Machine", ein wundervolles Duett zu singen.

Das treibende "Magnetism" rückt die Streicher- und Flöten-Fraktion in den Vordergrund, während Tommy Karevik, Anneke van Giersbergen und Marco Hietala wunderbar miteinander harmonieren. Letztgenannter bleibt für "Age Of Shadows" auf der Bühne, bei dem er von seiner Bandkollegin Floor Jansen und Hansi Kürsch unterstützt wird, bevor AYREON den zackigen Ohrwurm "Intergalactic Space Crusaders" intonieren. Die Performance von Damian Wilson und insbesondere Maggy Luiten mit ihrer wahnsinnig rauchigen Stimme ist atemberaubend! Nachdem sich Hietala und Karevik im flotten "Collision" duellieren, folgt "Everybody Dies", in dem Mike Mills erneut verdeutlicht, weshalb Lucassen einen solchen Narren an dem TOEHIDER-Mastermind gefressen hat.

Ladies and Gentlemen: Arjen Lucassen!

Dann ist es an der Zeit, den Kopf hinter AYREON zu begrüßen: Trotz extremen Lampenfiebers traut sich Arjen Lucassen höchstpersönlich zu "The Castle Hall" auf die Bühne, was vom Publikum mit ohrenbetäubendem Jubel quittiert wird. Nach einer äußerst sympathischen Ansprache folgt "Amazing Flight In Space", zu dem Jay van Feggelen seine bluesgetränkte Stimme erklingen lässt.

Der Ohrwurm "Day Eleven: Love" rückt mit Edward Reekers, Robert Soeterboek und dem Backing Vocal-Trio Marcela Bovio, Irene Jansen und Lisette van den Berg noch einmal langjährige und lokale Weggefährten in den Vordergrund, sogar Ed Warby übernimmt einen kurzen Gesangspart. Bei der letzten Zugabe "The Eye Of Ra", dem zweiten STAR ONE-Cover, stehen zu Beginn erstmals seit 15 Jahren Irene und Floor Jansen gemeinsam, dann schließlich alle Musiker und Vokalisten auf der Bühne und bringen den wahrgewordenen Traum zahlreicher AYREON-Anhänger nach etwas über zwei Stunden zu einem höchst emotionalen Ende.

Das Bild: Scharf, konzentriert und abwechslungsreich

Die auf "Ayreon Universe - Best Of Ayreon Live" mitgeschnittene Show vom 16. September 2017 wurde mit 30 (!) Kameras aufgenommen. Entsprechend viele Blickwinkel und Möglichkeiten ergeben sich für das Bildmaterial. Flotte, aber nicht hektische Schnitte und lange Einstellungen auf einzelne Musiker und Sänger halten sich die Waage. Effekte werden gut eingefangen, Schwenks zeigen das begeisterte Publikum. Der Fokus liegt auf der großen Bühne vor dem riesigen Bildschirm, auf dem zu den Songs passende Projektionen laufen und in riesigen Lettern die Namen der Gäste eingeblendet werden.

Im Gegensatz zu "The Theater Equation" ist das Bild der Blu-ray knackig scharf. Selbst in dunklen Einstellungen halten sich Bildrauschen und Unschärfe in Grenzen. Durch die vielen Musiker, ihre deutlich sichbare Spielfreude, die tolle Lightshow und weil einfach immer irgendetwas passiert, macht es unheimlich viel Spaß, sich die Show wieder und wieder anzusehen. In den letzten Jahren sind mir nur wenige Live-Mitschnitte untergekommen, die so kurzweilig unterhalten haben – und das selbst beim vierten oder fünften Durchgang.

Der Ton: Wuchtig, differenziert und lebendig

Auch der Ton ist in allen Abmischungen erstklassig und differenziert – bei so vielen Musikern, Sängern und den enthusiastischen Fan-Reaktionen wahrlich keine Selbstverständlichkeit und sicher nicht einfach abzumischen. Die Live-Atmosphäre wurde extrem gut eingefangen, der Sound ist im Zweikanalton druckvoll und knackig – sowohl auf der Blu-ray als auch der Doppel-CD, die unter dem Kopfhörer besonders viel Laune macht.

Besitzer eines Mehrkanal-Systems dürfen sich bei der BD über Ton in DTS-MA 5.1 (DVD: Dolby Digital 5.1) freuen. Der Klang ist schön räumlich, vor allem Keyboard-Sounds und Effekte werden über die hinteren Boxen deutlich ausgegeben. Lediglich die Fan-Reaktionen in den Songs selbst könnten etwas stärker von hinten kommen.

Hochwertige Verpackung, informatives Bonusmaterial

Eine besondere Erwähnung gebührt dem Drumherum. Während die Earbook-Version auf 44 bebilderte Seiten mit Liner Notes kommt, liegt der Blu-ray ein 20-seitiges Heftchen mit Kommentaren des Masterminds über die beteiligten Musiker und Gäste bei. Sein eigenes Porträt gelingt dabei herrlich selbstironisch – für seine Art kann man den schrulligen AYREON-Kopf nur lieben. Auch äußerlich macht das geprägte Digipack einen sehr hochwertigen Eindruck.

Wer nach dem Genuss des zweistündigen Konzertes noch nicht genug hat, wirft einen Blick in die Bonus-Sektion. Hier wird ein knapp anderthalbstündiges, sehr unterhaltsames und informatives Behind-the-scenes-Special mit Interviews sämtlicher Musiker und Sänger gereicht, komplettiert von einem Zusammenschnitt der Try-out-Shows, die vor den drei Gigs stattfanden. Weil auch hier der Ton erstklassig ist und die Songs mit lokalen Sängern statt dem internationalen Cast geprobt wurden, wäre die komplette Show als Bonus die extra Kirsche auf dem ohnehin fetten Sahnehäubchen gewesen …

"Ayreon Universe" war und ist ein Stück Musikgeschichte

Zahlreiche hochmotivierte Musiker und Sänger, eine fantastische Show, technisch auf Höhe der Zeit in Bild und Ton festgehalten und mit jeder Menge mitreißender Prog-Meisterstücke in berauschenden Live-Versionen ausgestattet: "Ayreon Universe - Best Of Ayreon Live" ist nicht nur ein Pflichtkauf für alle Ayronauts, sondern jeden, der auch nur ein klitzekleines bisschen was mit Progressive Rock oder Rock-Opern anfangen kann.

Was Arjen Lucassen und Joost van den Broek hier auf die Beine gestellt und für eine Veröffentlichung aufbereitet haben, ist ein Stück Musikgeschichte.

Trackliste

1. Prologue
2. Dreamtime
3. Abbey Of Synn
4. River Of Time
5. The Blackboard
6. The Theory Of Everything
7. Merlin's Will
8. Waking Dreams
9. Dawn Of A Million Souls
10. Valley Of The Queens
11. Ride The Comet
12. Star Of Sirrah
13. Comatose
14. Loser
14. And The Druids Turned To Stone
15. The Two Gates
16. Into The Black Hole
17. Actual Fantasy
18. Computer Eyes
19. Magnetism
20. Age Of Shadows
21. Intergalactic Space Crusaders
22. Collision
23. Everybody Dies
24. The Castle Hall
25. Amazing Flight in Space
26. Day Eleven: Love
27. The Eye Of Ra

Extras: Behind the scenes, incl. interviews with the singers and musicians; Compilation of the try-out show

Eine Setliste mit allen Gastaufritten findet Ihr hier.

Vocals

Floor Jansen (NIGHTWISH)
Marco Hietala (NIGHTWISH)
Damian Wilson (THRESHOLD)
Hansi Kürsch (BLIND GUARDIAN)
Tommy Karevik (KAMELOT)
Anneke van Giersbergen (THE GENTLE STORM, VUUR)
Jonas Renkse (KATATONIA)
Mike Mills (TOEHIDER)
Marcela Bovio (STREAM OF PASSION)
Robert Soeterboek (STAR ONE)
John Jaycee Cuijpers (PRAYING MANTIS)
Edward Reekers (KAYAK)
Maggy Luyten (NIGHTMARE)
Lisette van den Berg (SCARLET STORIES)
Irene Jansen
Jay van Feggelen

Band

Ed Warby - Drums
Johan van Stratum - Bass
Marcel Coenen - Leadgitarre
Ferry Duijsens - Gitarre
Joost van den Broek - Keyboards
Ben Mathot - Geige
Jeroen Goossens - Flöte, Holzbläser
Maaike Peterse - Cello

Gastmusiker

Arjen Lucassen - Gitarre, Gesang
Rob Snijders - Percussions, Drums
Peter Vink - Bass

Chrischi

Stile: Metal und (Hard) Rock in fast allen Facetten

Bands: Metallica, Pearl Jam, Dream Theater, Iron Maiden, Nightwish ...