Niemand verarscht Jesus …
20 Jahre lang saß Jesus Quintana (John Turturro) im Knast, bevor man ihn wegen guter Führung (sic!) in die Freiheit entlässt. Als er von seinem besten Kumpel Petey (Bobby Cannavale) abgeholt wird und die beiden vor einem Friseursalon einen biestigen Plymouth V8 entdecken, "borgen" sie sich das Gefährt gleich mal für eine Spritztour zu Quintanas Mum (Sônia Braga), bevor sie den Schlitten wieder vor dem Laden seines Besitzers Paul Dominique (Jon Hamm) abstellen.
Der ist alles andere als amüsiert und lässt das an seiner Freundin Marie (Audrey Tautou) aus. Als es Petey zu bunt wird und er abhauen will, erwischt ihn eine Kugel aus Dominiques Waffe. Nachdem der von Quintana überwältigt wird und weil Marie überhaupt keinen Bock mehr auf ihren Stylisten-Freund hat, macht sich das Trio gemeinsam im erneut geklauten Wagen aus dem Staub.
… wieso verarscht er uns?
Was folgt, ist eine völlig krude Mischung aus Roadmovie und Komödie, die als Hommage an den französischen Film "Die Ausgebufften" von Betrand Blier verstanden werden will. Das Trio genießt seine Freiheit, düst auf der Flucht vor der Polizei durch die Gegend und hat Sex, sehr viel Sex, denn die völlig überdreht und hysterisch von Tautou gespielte Marie ist nach Hunderten von Liebhabern immer noch auf der Suche nach ihrem ersten Orgasmus.
Während das Dreiergespann zwischenzeitlich getrennt ist, treiben es Jesus und Petey mit der frisch aus dem Gefängnis entlassenen, reifen Jean Bersome (Susan Sarandon), bevor es zu einer seltsamen Wiedervereinigung erneut quer durchs Land geht. Ach ja, gebowlt wird an einer Stelle auch mal, inklusive Abschlecken der Bowlingkugel und Tänzchen nach dem Strike.
Jesus packt das … nicht!
So urkomisch und exzentrisch die originale Quintana-Szene ist: "The Big Lebowski" würde auch ohne sie funktionieren. "Jesus Rolls" hingegen funktioniert nicht ohne den Dude. Oder Walter. Oder Donnie. Oder ohne stringente Handlung, die der zerfahrenen Mischung aus spontan eingestreuten Reminiszenzen und gewollt komischem Sex-Roadmovie einfach völlig abgeht.
Dabei schürt der Film gerade zu Beginn Erwartungen: Wenn Jesus mit seinem lilafarben lackierten Finger sein Hab und Gut entgegennimmt und dabei die Gypsy Kings dem Zuschauer zugewandt aus der Gefängniszelle eines ihrer Lieder zum Besten geben, fühlt man sich als Fan des Dude am richtigen Platz. Christopher Walkens Darstellung als Gefängnisdirektor, der Quintana genüsslich seine Verfehlungen aufzeigt und sich gleichzeitig für seine Bowling-Leistungen bedankt, ist ein frühes (und seltenes) Highlight. Nach dem müden Recycling einiger Jesus-Sprüche ahnt man jedoch schnell, dass das alles trotz Turturros Engagement nur schrecklich schief gehen kann.
"Jesus Rolls" ist KEIN "The Big Lebowski 2"
Auch wenn der Schauspieler viel Herzblut in die durchaus gelungene Darstellung seiner exzentrischen Figur gesteckt hat und die offizielle Erlaubnis der Coen-Brüder, die ihrerseits nie eine Fortsetzung planten, für ein Spin-off besaß: "Jesus Rolls" hat abgesehen von ein paar mal mehr aber eher weniger gekonnt (oder gewollt) eingebauten Reminiszenzen nichts, aber auch gar nichts mit dem Kultfilm gemein. Eigenständigkeit kann man Turturros Werk wegen seiner deutlichen Verbeugung vor "Die Ausgebufften" auch nicht bescheinigen.
Die Einleitung der offiziellen Pressemitteilung liest sich vor diesem Hintergrund wie eine Farce: "The Big Lebowski 2 alias Jesus Rolls ist die Kultfilm-Fortsetzung von und mit John Turturro." So viel unwahren Stuss in einem Satz zusammenzufassen muss man erstmal schaffen. Dummerweise finden sich solche Aussagen auch auf dem YouTube-Channel und der Infoseite des Vertriebs. Irgendwie muss man den Mist ja an den Mann bringen.
Noch mal in aller Deutlichkeit: "Jesus Rolls" ist KEINE Fortsetzung von "The Big Lebowski"! Das Beste an diesem wirren Streifen ist seine kurze Laufzeit von etwas über 80 Minuten – und selbst die fühlen sich zwischendrin arg langatmig an.
Infos
USA 2019 | ca. 83 Min. | FSK: ab 16
Sprache: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1)
Regie: John Turturro
Cast: John Turturro, Bobby Cannavale, Susan Sarandon, Audrey Tautou, Christopher Walken