Stil (Spielzeit): Estnischer Folk Metal (97:21 + Bonus)
Label/Vertrieb (VÖ): Westpark (25.05.2007)
Bewertung: Interessant [7/10]
Link: http://www.metsatoll.ee/
So ganz neu ist die Idee ja nicht, denn Jedem fallen sofort ein duzend Künstler und Bands ein, die es mit dem Zauberwort Klassik auf den Bannern zu beachtlichem kommerziellem Erfolg gebracht haben. Neben den derweil scheinbar lückenlos abgegrasten Feldern in Skandinavien erschließt sich seit einiger Zeit eben auch der slawische Raum als Versuchsfeld für traditionellere Musik gepaart mit Stahl. Doch ist METSATÖLL die erste Gruppe dieser Richtung aus Estland - eigentlich sogar die erste Gruppe aus Estland überhaupt - die mein Interesse weckt, denn VANILLA NINJA waren irgendwie nicht so mein Fall. Estland kann man, trotz seiner starken eigenen Kultur wie Finnland auch, als eine Brücke zwischen Ost und West sehen, was sich ohne Zweifel auch in der Musik niederschlägt. Konkrete Vergleiche fallen einem keine ein, denn das, was dort geschustert wurde macht trotz der eigentlich traditionellen Einflüssen einen frischen Eindruck.
METSATÖLL haben sich neben dem Komponist von Weltruf: Veljo Tormis auch die vierundfünfzig Stimmen des einzigen professionellen Vollzeit-Chors der Welt, dem Estischen Nationalmännerchor, der 2004 mit dem Grammy ausgezeichnet wurde, in ihr Langboot geholt. Eigens angefertigte Instrumente und die fabelhafte Lokalität in der das Konzert aufgenommen wurde umreißen den investierten Aufwand nur ungenügend.
Estnische Folkloreklänge, neoklassische Passagen und Heidenmetall vermischen sich zu einem stimmungsvollen, epischen Sud, in dem sich glücklicherweise kein Lametta findet, das die authentische Atmosphäre zerstören würde. Der Chor bekleidet viel mehr als nur einen atmosphärischen Posten, den man auch hätte mit einem Keyboard erzeugen können. Gesangsoli und Operngleiche Einsätze machen eine Erwähnung der Auszeichnungen eigentlich unnötig.
Das wirklich besondere an "Curse Upon Iron" ist, dass sich nichts Kitschiges in die Kompositionen mischt, obwohl diese Gefahr natürlich gegeben war. Estnisch sorgt natürlich für einige Exotenpunkte, da die Sprache sehr unverbraucht ist und hervorragend zu dem abenteuerlichen Experiment passt.
Die vollen knapp einhundert Konzertminuten auf der DVD sind trotzdem nicht für jeden Abend das Richtige und können irgendwann anstrengend werden - und das obwohl sich mit Einbruch der Dunkelheit ein paar zurückhaltende Lichteffekte und immer seltsamere Instrumente dazu gesellen.
Ob man sich der netten Atmosphäre in Bild und Ton oder nur akustisch hingibt ist dem Genießer natürlich selber überlassen und obwohl keine aufwendigen Backdrops, Tänzerinnen oder übermäßig viel Bewegung für Unterhaltung sorgen ist die Atmosphäre des Freiluftkonzertes zwischen meterdicken Ruinen alles in Allem sehenswert.
Ich denke nicht, dass ein Fan experimenteller Mischungen aus diesen Genres mit einem Kauf viel falsch machen kann. Belohnt wird der Neugierige mit einem über zwanzig Minuten langem Making-Of, was mit dem Konzert zusammen dann zwei stolze Stunden Spielzeit auf die Waage bringt. Denn gerade weil nicht jeder einen Narren daran fressen wird, wird "Curse Upon Iron" denen umso besser gefallen, die sich darauf einlassen. Und sicherlich wird hier auch Interesse für das seltsame, zu Unrecht als verschlafen geltende Land im Baltikum geweckt, welches garantiert einen Besuch wert ist.