Stil (Spielzeit): Alternative Metal (40:59)
Label/Vertrieb (VÖ): Tiefdruck-Musik (25.04.2008)
Bewertung: 9/10
Link: www.mongofuenf.de
www.myspace.com/mongofuenf
Gebt dieser Band eine Chance. Gebt dieser Platte eine Chance. Und Ihr werdet weggeblasen.
Warum so pathetisch? Nun diejenigen, die beim Namen MONGOFÜNF nicht ihre Stirn in Falten legen, sind deutlich in der Minderzahl. Und auch ich stehe der Namensgebung kritisch gegenüber, umso genauer muss man also hinsehen.
Wie ich aus Gesprächen mit dem Labelchef weiß, wollen MONGOFÜNF sich keinesfalls über Behinderte lustig machen. Als ein Beleg mag gelten, dass sie mit der Hamburger Band TRISOMIE 21 in Kontakt stehen, in der Musiker mit Down-Syndrom spielen. Die fanden den Bandnamen toll und regten sogar eine gemeinsame Tour an. Auch würden Tiefdruck-Musik niemals eine Band unter Vertrag nehmen, die sich über kranke Menschen lustig macht. Warum also dieser Name? Ist es ein Spiel mit Konventionen? Mit Dingen, die nicht „erlaubt“ sind, aber die eigentlich normal sein sollten? Vielmehr ein Zeichen von Mut und Hintersinnigkeit, als jede vordergründige Plakativität vermuten lässt?
Die Kölner Band wird sich bald selbst dazu äußern, in einem Interview auf diesen Seiten. Bis dahin sprechen Text und Musik ihrer zweiten Platte „Im Reich der Sterne“: Ein musikalisch herausragendes und textlich ungewöhnlich hintergründiges Album.
Wenn in den letzten drei Wochen ein headbangender Irrer auf seinem Fahrrad durch die Schanze gefahren ist, das war ich. „Im Reich der Sterne“ hat mich quasi intravenös gepackt mit großartigen Riffs, ungezähmter Energie und herrlich melodischen Refrains, die viel besser und unmittelbarer funktionieren als noch beim sperrigeren, wesentlich unzugänglicheren Debüt. Vom zarten Gesang über Kreischen bis hin zur Growl-Vollbedienung reicht das gesangliche Spektrum, es pumpt und pulsiert musikalisch an allen Ecken und Enden, packt Dich, streichelt und würgt im steten Wechsel. Dabei sitzen MONGOFÜNF irgendwo zwischen SYSTEM OF A DOWN, FLEISCHMANN und SUCH A SURGE, sprengen scheinbar mühelos jegliche Korsettierung, ohne auch nur eine Sekunde gewollt abgefahren zu klingen.
Verstörende Parts fügen sich perfekt in ruhige, teils sogar poppige Strophen, langweilig wird es nie: Da erklingt unerwartet ein Kinderchor, überrascht ein lupenreines Death-Metal-Zitat, und dazu wird die graue Masse angeregt. Textlich scheint mir „Im Reich der Sterne“ zwar weniger codiert zu sein als sein Vorgänger, doch auch diese Platte liefert genügend Bildsprache fürs Kopfkino und Material zum Nachdenken, für das der Schlüssel nicht wie bei „Die Hure Europa“ am Ende mitgeliefert wird. – Übrigens ein Song, der den blinden Gehorsam Europas gegenüber den USA thematisiert.
Ich könnte eine Seite nach der anderen mit Beschreibungen, Assoziationen und weiteren persönlichen Anmerkungen zu den Lyrics dieser Platte füllen, aber ich kürze mal ab: Es gibt wenige deutsche Bands, die mich textlich derart zum Nachdenken anregen und mit ihrer Heimatsprache so gekonnt umgehen, dass es weder abgeschmackt noch peinlich noch abgehoben-verkopft klingt. Musikalisch ist „Im Reich der Sterne“ ein Tier von einem Album, das man kennen lernen sollte. Auch oder gerade wenn der Name erstmal Distanz schafft.
Chris
Als Kind der 90er liebe ich Grunge und Alternative Rock – meine bevorzugten Genres sind aber Death, Groove, Dark und Thrash Metal. Ich kann Musik und Künstler schwer voneinander trennen und halte Szene-Polizisten für das Letzte, was Musik braucht. Cool, dass Du vorbeischaust!