Stil (Spielzeit): Indie/Elektro/Post-Pop (42:05)
Label/Vertrieb (VÖ): Universal/Vertigo/Motor (10.10.08)
Bewertung: 7,5/10
Link: http://polarkreis18.de
http://www.myspace.com/polarkreis18
Ach, was war das schön, letztes Jahr im Sommer 2007: Eine junge, komplett in Weiß gekleidete, sechsköpfige Band aus dem schmucken Dresden steht in einem viel zu kleinen Club auf einer viel zu kleinen Bühne und zaubert im wahrsten Sinne des Wortes ein fantastisches, mitreißendes und außergewöhnliches Konzert über die Köpfe der zurückhaltenden Zuschauer hinweg, die sich noch nicht ganz sicher scheinen, wie das Dargebotene überhaupt einzuordnen ist. Dann, kurze Zeit später, steigt das selbstbetitelte Debutalbum „Polarkreis 18“ in die Charts ein und die eher unbekannten POLARKREIS 18 spielen sich durch ganz Deutschland und Europa mit ihrem befremdend-frostigen und doch melodisch-warmen Sound – und schaffen sich eine beachtliche Fanbase.
Nun, ein Jahr später, ist der Song „River Loves The Ocean“ aus dem neuen und von Mario Thaler (u.a THE NOTWIST) produzierten Album „The Colour of Snow“ das Titelstück der groß angekündigten und hochkarätig besetzten „Krabat“-Verfilmung von Ottfried Preußler. Und der bereits am 19. September veröffentlichte Elektro-Pop Hit „Allein, Allein“ einer der größten Erfolge des deutschen Musikjahres 2008. Es ist somit sehr wahrscheinlich und offensichtlich, dass POLARKREIS 18 auf dem besten Weg sind, eine der ganz großen deutschen Indiebands zu werden, bzw. sind, die auch über unsere Landesgrenzen hinweg Erfolg haben.
Bereits auf dem Debüt boten Sänger Felix Räuber und seine Mannen eine durchweg ansprechende und nahezu locker-leichte Version von unkonventionellem Pop im Stile von COLDPLAY, MUSE aber auch SIGUR RÒS. Jedoch wäre es vermessen, den kreativen Output mit diesen Bands zu vergleichen, sind POLARKREIS 18 doch durch die Bank weg eine eigenständige und außergewöhnliche Band, deren Songs teilweise zwischen dem ganzen Schwachsinn in den oberen Charts-Rängen irgendwie fehl am Platz zu sein scheinen. Und doch überrascht der kommerzielle Erfolg nicht wirklich: „Allein, Allein“ bietet dermaßen großes melodisches Hitpotential – was die Verkaufszahlen auch belegen – dass sich selbst der jüngst auf Solopfaden gestartete Peter Heppner, ehemals Sänger des Elektropopduos WOLFSHEIM, sehr warm anziehen sollte.
Doch nicht nur dieser Song oder das verträumte, verzaubernde „River Loves The Ocean“, welches zusammen mit dem Filmorchester Babelsberg eingespielt wurde, sind nahezu untypische Pop-Perlen auf einem sehr eindrucksvollen, ambitionierten und auch abwechslungsreichen Album: „Untitled Picture“ beweist großes Gespür für todtraurige Gänsehaut-Atmosphäre – und dies wird lediglich durch ein unter die Haut gehendes Klavier und Felix Räubers außergewöhnliche Knabenstimme erreicht. In diesen Momenten offenbaren POLARKREIS 18 ihre ganze kosmische und melancholischeTiefe, die zwar irgendwo durchgehend massenkompatibel bleibt, und doch Freunde innovativer Musik ebenso anspricht und begeistert.
In dem Titelsong „The Color of Snow“ und „Rainhouse“ spiegeln sich auch die elektronischen Elemente und Vorlieben der Band wieder, welche klar machen, dass man bei dieser Musik nicht nur zum Träumen, sondern durchaus auch zum Tanzen animiert werden kann und sollte.
Einer der ganz großen Momente ist „130/70“, denn hier bemerkt man das musikalische Spektrum der Band: Verträumte, gehauchte Gesangsmelodien, elektronische und treibende Drums, dezente und untermalende Gitarren, jede Menge Synthies und ganz, ganz großes Melodiegespür.
Jedoch haben sich leider auch die ein oder anderen Schwächen auf „The Colour of Snow“ eingeschlichen: So wurde zwar überdurchschnittlich viel mit dem kompletten Orchestersound aus Babelsberg experimentiert, dieser entfaltet aber auch nur an einigen Stellen seine ganze epische Qualität und bleibt die meiste Zeit über seltsam unausgereift. Zum Beispiel im Eröffnungssong „Tourist“ oder dem irgendwie unvollendet klingenden „Prisoner“. Man hat hier das Gefühl, die Band konnte sich nicht so wirklich entscheiden zwischen orchestralem Pathos und ihrer treibenden energiegehaltigen Indietronic-Maschinerie.
Hinzu kommt, dass gegen Ende der rund zehn Tracks dem Album etwas die Luft auszugehen scheint, denn mit „Name On My ID“ und „Happy Go Lucky“ bekommt man nicht mehr wirklich viel Neues zu hören...die Band scheint sich immer öfter zu wiederholen, was das Album mit einem etwas negativen Beigeschmack enden lässt. Grundsätzlich ist „The Colour of Snow“ auch nicht ganz so gut geworden wie das Debüt, jedoch auch anders, und schließlich hat man sich ziemlich weit aufs Eis gewagt. Gescheitert sind POLARKEIS 18 nicht wirklich, aber gerade wer die Anfänge dieser Band ein wenig verfolgt hat, weiß, dass mehr in ihnen steckt.
Beim nächsten Mal etwas weniger Pathos, oder wenn doch, dann bitte richtig!!!