Stil (Spielzeit): 70er Rock / Psychedelic / Indie (46:29)
Label/Vertrieb (VÖ): Rookie / Cargo (22.08.08)
Bewertung: vorher gut, jetzt klasse (8,5 / 10)
Link: www.earthbend.de/
www.myspace.com/earthbend
EARTHBEND sind zu dritt, machen Retro-Rock und klingen wie BLACKMAIL und SCUMBUCKET. Nee, Quatsch, das war gestern auch dann schon daneben – also noch mal von vorn:
EARTHBEND aus dem brandenburgischen Finsterwalde (heißt echt so) klingen auf ihrem zweiten Album, „Harmonia“, eher wie fünf Jungs, die auf der Basis von orgelgeschwängertem Rock begeistert den Siebzigern huldigen ohne wie andere Bands zu klingen.
Aha! Wir nähern uns allmählich der Wahrheit. Die liegt auf diesem Album eben nicht in knarzigen Riffs und Endlossoli der schweißgetränkten oder kühl abgezirkelten Art, sondern im Fluss. Und Flüsse können lang und mächtig sein. Manche Ströme bereisen gar einen beträchtlichen Teil der Erdkrümmung, so wie im Opener und Titeltrack „Harmonia“. Musikgeologen finden in diesem knapp zehnminütigen Stück von der neckischen Jugend als Bächlein (gelungener Vocoder-Einsatz zu Beginn) über hartnäckig grabende, harmonische Passagen (schöner Bass-Groove, breite Orgelflächen) bis zu Schluchten erschaffenden Psychedelic-Noise-Attacken allerlei Spannendes. Wem das jetzt zuviel Geschwafel war, dem sage ich nur: Zeit nehmen, laut hören, genießen!
Die anderen Stücke sind kürzer und manchmal auch knackiger auf den Punkt gebracht. Erstaunlicher Weise schaffen EARTHBEND es sowohl kunstvoll herumzulavieren als auch konzentriert feine Refrains rauszuhauen ohne gitarrenlastig zu werden. Alle Instrumente haben gleichberechtigt ihren Platz und glänzen mit Ideen und Mut. André Kunzes Gesang zum Beispiel klingt kräftiger und variantenreicher als noch auf dem „nur“ guten Erstling „Young Man Afraid“. Oder sein Gitarrenspiel: sehr präsent wo’s hingehört, dezent wo es mit Zurückhaltung oder Abwesenheit glänzen kann. Das hat Stil.
Gleiches kann man auch über Christian Heinrich sagen, der vor allem Bass und Orgel bedient, aber auch mal den Sechssaiter ergreift. Bassisten, die Songs durch ihr Spiel wirklich tragend mitgestalten, haben bei mir eh einen Stein im Brett. Und wer dann noch „nebenbei“ mit der Fußorgel Akzente setzt, ganz besonders.
Zum Glück wird nicht alles mit der 70er-Orgel zugeklatscht: So großzügig sie auch eingesetzt wird: immer haben die Songs noch Platz zum Atmen. Ist auch gut so, denn sonst würde man ja die gegenüber dem Erstling vervielfachten Feinheiten überhören. Beispielsweise die Feinschmeckermomente in Tilo Hustans Schlagzeugspiel, die hoffentlich auch live rüberkommen.
Nicht dass sie früher schlecht gewesen wären, aber wo der Bandname des Trios anno 2007 mehr berechtigte Ambition denn Beschreibung der Musik war, hat sich eine bewundernswerte Reife eingestellt, die bei aller Detailverliebtheit immer den Aufbau eines Stückes in den Vordergrund stellt.
Wie viele Bands bauen Spannungsbögen von drei, fünf oder mehr Minuten auf, ohne Rumzufrickeln, ohne die Orientierung zu verlieren, ohne den Flow aus den Augen zu verlieren?
EARTHBEND lassen sich auf "Harmonia" gerne Zeit und schöpfen innerhalb der Songs Kraft. Sie erinnern wehmütig an Gewesenes, wecken Hoffnung auf kommende große Momente, deuten an, taktieren, ziehen sich zurück, träumen kurz, marschieren dann entschlossen los und hinterlassen ihre eigenen, gewaltig groß gewordenen Fußstapfen. Egal ob „Harmonia“, „Bones“ oder „Troja“: Das ist großer Rock!
Produzent Kurt Ebelhäuser hat dafür gesorgt, dass sich die Ideenflut auch wirklich mit der gebotenen Mächtigkeit durch hoffentlich dem gewachsene Boxen ergießen kann.
Früher hätte ich gesagt: "EARTHBEND? Sind gut. Würd’ ich mir mal ansehen..." Heute sage ich: "EARTHBEND!?! Will ich sehen!"
PS: "Harmonia" gibt es auch als limitierte Doppel-LP im Klappcover.