Zwar habe ich vorher noch nie etwas von OLD GRAY aus England gehört, aber direkt mit dem ersten Song treten sie mir die Gehörgänge ein und hinterlassen eine blutige Spur des Verzückens. Zunächst ein paar atmosphärisch verträumte Akkorde und etwas Schlagzeug. Darüber dann irgendwann hymnische Crewvocals und auf einmal bricht das Inferno los, geht wieder zurück und bricht sich dann vollends Bahn. Wow. Was für ein Statement!
Wären OLD GRAY aus Amiland, wären sie vermutlich längst bei TopShelf untergekommen. So erinnert ihre intensive Mischung aus Scream, Punk, Hardcore und Indie doch an Größen wie THE SADEST LANDSCAPE, LA DISPUTE oder PIANOS BECOME THE TEETH und Konsorten. Allerdings fehlt hier der weinerliche Aspekt zunächst vollkommen. Außerdem sind die Gitarren wesentlich weniger verzerrt und weit „schräbbeliger", als man es von den Amis kennt. Auch spielt die unverzerrte Gitarre hier eine wichtige Rolle (aber auch hier und da mal ein Streichinstrument).
Aber vor allem der Gesang springt den Hörer an, da er bis auf wenige Ausnahmen (ab und zu darf der Text auch einfach mal gesprochen werden) immer an den eigenen Grenzen entlangschabt und sich im wahrsten Sinne auskotzt. Aber zusammen mit der Produktion, die eben nicht ultrafett, sondern authentisch klingt, ergibt das durchaus Sinn. Hier sollen nämlich keine Schönheitspreise sondern Herzen gewonnen werden. Und meines haben sie mit diesem Debüt-Full-Length in der Tasche.
Wie im ursprünglichen Screamo, spielt für OLD GRAY das Wort „Dynamik" eine große Rolle und so ist „An Autobiographie" immer wieder auf einer Berg- und Talfahrt und bietet zwischendurch sogar richtige Melodien an, bevor wieder alles niedergerissen wird. Allerdings schaffen sie es, auf pauschale Refrains zu verzichten und behalten damit in jedem Moment ihre Integrität.
Je länger das Album geht, umso mehr kommen dann doch noch mehr ruhige Momente und etwas typischere Gesangsparts dazu, die nach Träne im Knopfloch schmecken. Aber da sie vorher die Festung bereits im Sturm genommen haben, kommen sie damit mehr als locker durch und auch ein Gesang wie auf „I Still Think About Who I Was Last Summer" klingt nicht kläglich, sondern herzzerreißend. Wer Screamo der älteren Schule mag, kommt in diesem Jahr wohl kaum an diesem Album vorbei!