Artesia – Chants d' automne


Stil (Spielzeit): Dark (?) Ambient / Gothic (45:06)
Label/Vertrieb (VÖ): Prikosnovenie (06.07)
Bewertung: 8 / 10
Link: http://www.artesia-music.com/

Brocéliande ist der Name des Studios in dem die Herbstlieder eingespielt wurden.
Brocéliande ist der legendäre Name des Waldes von Paimpont in der Bretagne, in dem sich viele der Ereignisse aus dem Sagenkreis um Artus abgespielt haben sollen --- gemäß der Darstellung von Chrétien de Troyes. In dieser mit mystischen und magischen Orten gepflasterten und waldreichen Gegend ist auch Mastermind Agathe zuhause.

Kein Wunder also, wenn uns auf dem so stimmungsvollen wie klischeehaften Cover der Anblick auf die geschätzte 285te Darstellung im Biz von „Excalibur im Stein“ vergönnt ist; und die üblichen Texte über Bäume, Feen und andere Versatzstücke der Neoromantik auf ein geneigtes Ohr warten. Splattertexte oder Sozialkritisches passt nun mal nicht zu der dargebotenen Musik oder vielmehr: Atmosphäre. ARTESIA erzeugen, wie andere Bands des Genres auch, denn auch eher wunderbare Soundtracks fürs Kopfkino als richtige Musik: tonale Fluchtversuche an magische Orte / mystische Zeiten, die es außerhalb der Phantasie zwar nie gegeben hat, aber das muss, abgesehen von Historikern, ja niemanden stören.

Sphärisch-ätherisch geht es also prinzipiell zur romantischen Sache. Agathe breitet einen Synthie-Teppich zu unseren Füßen aus, auf dem die Suche nach dem heiligen Gral wie auf Wolken vonstatten geht. Ihr Gesang ist ebenfalls eher sphärisch, denn glockenhell. Ab und an erfrischen ihre kühlen Pianoklänge den Wandernden, und die akustischen Gitarrenklänge von Loïc Cellier laden auf hellen Waldeslichtungen zur Rast ein … Ääh, ich hatte mir wirklich fest vorgenommen, nicht in Bildern zu salbadern. Geht einfach nicht, die Klänge sind zu konkret und suggestiv… Der Herbst im Wald kann golden und silbrig glänzen und von Licht durchflutet sein, aber auch düster, neblig und melancholisch. Zwischen diesen Polen befindet sich das Stimmungsspektrum der „Chants“.
Aber sie sind nie wirklich schwarz. Nicht mal bei Nacht, weil in Brocéliande immer ein heller Mond scheint, der seinen „manteau argenté“, seinen silbernen Mantel über die Erde ausbreitet. Hier sucht man denn auch einen Tharen, der gern mal den fiesen Möp mit Black Metal Vergangenheit raushängen lässt, vergeblich. ARTESIA sind, wenn wir schon den Vergleich mit DARGAARD bemühen, freundlicher, meditativer, also auch weniger dramatisch. Wem Meditation nur ein Synonym für Langeweile ist, dem sei anderes empfohlen.

Hervorzuheben ist meines Erachtens das zweite und neben Agathe einzige offizielle Bandmitglied Gaëlle, die für die wirklich wunderschönen Violinen-Arrangements verantwortlich ist. Ihr Spiel ist alles andere als ausgelutscht und Parallelen wollen mir im Bereich „populärer Musik" keine einfallen. Das ist weniger keltisch-bretonisch, als es eher estnisch, nämlich von Arvo Pärts sakralem Minimalismus inspiriert scheint.

Auch wenn ARTESIA garantiert keinen Innovationspreis gewinnen und weniger vielschichtig sind als die Österreicher oder gar DEAD CAN DANCE, gewährleistet die Schönheit der Atmosphären eine wunderbare Reise in die fiktive Welt von Brocéliande, die man gerne öfters antritt. Vorausgesetzt, man schämt sich nicht der Realitätsflucht.

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