Stil (Spielzeit): Pop-Rock/Alternative (75:41)
Label/Vertrieb (VÖ): GUN/SonyBMG (11.11.05)
Bewertung: So geht unplugged (8/10)
Link: www.diehappy.de
Nun ist die Mode, brettigen Gitarren den Strom abzudrehen und sie durch Piano, Congas und Kontrabass zu ersetzen, also auch im Lager der Ulmer Alternative-Rocker Die Happy angekommen. Was macht man also als beinharter, langhaariger, böser, Kinder essender Metal-Redakteur an einem Samstagabend? Richtig – sich einen Grünen Tee kochen, sich an Muttis Herd verziehen und dort, bewaffnet mit etwas Nougatschokolade, verzückt den teils verträumten, teils locker-flockigen Klängen von Akustischen Gitarren lauschen, denn die Jungs und das Mädel aus dem Schwabenlande haben nicht der Versuchung nachgegeben, der Musiker bei Akustik-Gigs gerne frönen: Nämlich mittels musikalischer Weichspüler aus ehemals kraftvollen Nummern dermaßen aalglatt-schleimige Schmachtfetzen zu köcheln, dass sogar Herr Bohlen zwischen Kandidatenärgern und Joghurtfressen irritiert innehält und den Wunsch nach mehr Energie und Originalität äußert.
Nein – vielmehr besticht von der ersten Sekunde an ein sehr ausgeglichenes, glasklares Klangbild, dominiert von einer gut aufgelegten Marta Jandova, die einmal mehr beweist, dass hier kein dünnes „Wir-jagen’s-im-Studio-noch-eben-durch-drei-Kompressoren“-Stimmchen säuselt, sondern eine facettenreiche Charakterstimme ihren Dienst verrichtet. Die Akustikklampfen mischen sich vorzüglich mit dem – auch ansonsten großartig abgestimmten – Schlagzeug, und die Idee, eine (zumeist abgedämpfte) Trompete ins Gesamtbild zu integrieren, trifft voll ins Schwarze, gerade durch diesen Kunstgriff nämlich entsteht eine äußerst entspannte Chill-Out-Atmosphäre mit loungig-funkigem Charakter. Ein Schelm könnte jetzt sagen, die Platte dudelt sich mainstreamig durch die Gegend, und zugegeben – vermutlich fänden sich kaum Leute, denen sie partout nicht gefiele. Aber sei's drum - die Mucke ist wohl die ideale Wahl für den abendlichen Abhängvorgang, das Abendessen zu zweit oder auch die nächste Dinnerparty (eng. für „Besäufnis aus sehr kleinen Gläsern“).
Man vergleiche hierzu gleich die ersten beiden Songs – Cry For More vom vorletzten Album „Beautiful Morning“ sowie 5pm. Das im Original schon wundervolle Wrong entfaltet seinen melancholischen Charakter noch besser als auf „The Weight Of Circumstances“, und als beim anschließenden Big Boy sogar das – stimmlich etwas dünne – Unplugged-Publikum auf Martas Aufforderung noch mehr aus sich herausgeht, kann man sich lebhaft vorstellen, wie die Ulmer Bude steppt. Das passt, das macht Freude, das verliert neben Lautstärke eben nicht auch an Energie. Slow Day, Standing Strong, alles ganz wunderbar, das Niveau hält – Drei-Wetter-Taft. Doch was dann kommt, schafft es tatsächlich, eben beschriebenem, beinharten, Kinder und Nougatschokolade mampfenden Metaller ein Tränchen ins Knopfloch zu zaubern: Otazky (dt. „Fragen“) ist eine Ballade aus der Feder von Martas Vater, garniert mit dem wohldosierten Einsatz von Harmonika und viel, viel Gefühl. Schnief. Gut, dass man den Text nicht versteht, sonst wär’s wohl ganz rum.
Ergo: Ein durchweg niveauvoller, nie langweiliger Hörgenuss aus dem Hause Die Happy. Den Ulmern gelang mit „Four And More Unplugged“ ein reinrassiges Poprock-Album, das jedem Hörer etwas zu bieten weiß und in seiner fröhlich-radiotauglichen Art auf ganzer Linie überzeugt. Klug arrangiert und performed – wenn’s alle so hinbekommen, dürfen Unplugged-Konzerte auch zukünftig gerne in Mode bleiben.