Geschrieben von Chrischi Mittwoch, 05 Oktober 2016 21:14
Temple Of The Dog - self (25h Anniversary Mix) Tipp
Als sein Freund und Mitbewohner Andrew Wood an einer Überdosis Heroin starb, schrieb Chris Cornell mit "Say Hello 2 Heaven" und "Reach Down" zwei musikalische Tribute, die nicht zur aggressiven Ausrichtung seiner Band SOUNDGARDEN passten. Also gründete der Sänger TEMPLE OF THE DOG, die mit ihrem einzigen Album maßgeblichen Einfluss am Erfolg des Grunge hatten und eine musikalische Sternstunde für die Ewigkeit ablieferten.
Wood, Sänger von MOTHER LOVE BONE, war eine der schillerndsten und wichtigsten Persönlichkeiten der gesamten Grunge-Bewegung. Sein Tod rüttelte ganz Seattle auf. Um seinen musikalischen Tribut für die Ewigkeit festzuhalten, fragte Cornell bei den MOTHER LOVE BONE-Mitgliedern Stone Gossard und Jeff Ament an, die gerade zusammen mit Mike McCready und dem aus San Diego stammenden Sänger Eddie Vedder dabei waren, ein Projekt aus der Taufe zu heben, das nur ein halbes Jahr später als PEARL JAM Geschichte machen würde. Ament, Gossard und McCready sagten zu, als Drummer wurde kurzerhand SOUNDGARDEN-Kumpel Matt Cameron angeheuert. Eigentlich wollte das Quintett nur die von Cornell komponierten Songs als Single aufnehmen, doch schnell entstanden in einem äußerst kreativen Prozess genügend Nummern für ein ganzes Album.
TEMPLE OF THE DOG blieben ein Projekt mit einem Album und ein paar Liveshows - bis jetzt: 25 Jahre nach Veröffentlichung einer der legendärsten Grunge-Platten erscheint der Klassiker als "25th Anniversary Mix" in verschiedenen Konfigurationen (Standard CD, Doppel CD als Limited Deluxe Edition, Super Deluxe-Boxset) neu, und zum Jubiläum stehen die Mitglieder erstmals für eine kleine US-Tour nach einem Vierteljahrhundert gemeinsam auf der Bühne.
Falls ihr das selbstbetitelte Debüt des großartigen Projektes noch nicht kennt: Ändert das! Kaum ein anderes Album der Grunge-Bewegung klingt so gut, so herzergreifend, so melancholisch, so ungezwungen, so unverfälscht und echt.
Cornells Performance ist durchweg atemberaubend, das Gitarren-Duo McCready und Gossard eine Macht, Ament und Cameron der groovende Fels in der Gefühls-Brandung. Der leicht an "Tuesday's Gone" (LYNYRD SKYNYRD) erinnernde Opener "Say Hello 2 Heaven" mit seinen unglaublich eingängigen Melodien, der elfminnütige, mit ausladendem Gitarrensolo versehene Trip "Reach Down", die wunderschöne Ballade "Call Me A Dog", das ruppige "Pushin' Forward Back", das drogengeschwängerte "Times Of Trouble" oder das unfassbar schöne "Hunger Strike", in dem Cornell ein Duett mit Vedder singt, der gerade im Studio herum lungerte und bereits ein paar Backing Vocals beigesteuert hatte: "Temple Of The Dog" enthält einige der besten Grunge-Songs aller Zeiten und gehört in jede verdammte Sammlung, die Wert auf gute, ehrliche Rockmusik legt.
Für die Neuauflage der einfachen CD wurde das Booklet mit einigen Fotos und Liner Notes versehen. Auch das Backcover mit Trackliste wurde leicht anders gestaltet. Der neue Mix von Brendan O'Brien ist Geschmackssache; Veränderungen hört man sowieso nur im direkten Vergleich mit dem Original unterm Kopfhörer. Die neue Abmischung ist etwas lauter und generell cleaner, die Vocals sind weiter in den Vordergrund gerückt. Einige Details, z. B. im Gitarrenbereich, sind deutlicher wahrnehmbar. Die Drums wurden ebenfalls weiter nach vorne gemischt, lassen aber die Durchschlagskraft des Originals vermissen. Überhaupt wirkt der neue Mix nicht so dynamisch und warm wie die ursprüngliche Version, die sehr kompakt und einheitlich abgemischt war. Die Instrumente erscheinen im "25th Anniversary Mix" separierter. Ein gutes Beispiel ist "Pushin' Forward Back": Das klingt im Original einfach druckvoller und wuchtiger.
Wie gesagt, diese Unterschiede nimmt man nur wahr, wenn man als eingefleischter Fan die Songs direkt nebeneinander stellt. Wer sich "Temple Of The Dog" neu zulegen möchte, wird auch mit dem Mix von Brendan O'Brien eine extrem gute klingende CD erhalten. Ich würde trotzdem dem originalen, warmen Sound den Vorzug geben, zumal der 25 Jahre alte Klassiker auf CD deutlich preiswerter ist. Die Neuauflage als Standard-CD lohnt sich weder für Altfans noch für Neueinsteiger.
Gerade für Kenner und Liebhaber des Originals ist die Limited Edition jedoch eine Überlegung wert: Neben dem kompletten Album im neuen Mix sind auf der ersten CD mit "Say Hello 2 Heaven", "Wooden Jesus" und "All Night Thing" drei alternative Mixe von Adam Kasper enthalten. Während ich bei "All Night Thing" keine großen Unterschiede hören kann, werden aus dem Opener durch den Verzicht auf Drums und "Wooden Jesus" mit weit in den Vordergrund gerückten E-Gitarren, die dem Track eine zuvor nicht hörbare Kante verleihen, sehr interessante Neuentdeckungen.
CD 2 bietet mit sieben Demos und fünf ebenfalls von Adam Kasper neu gemixten Outtakes dann richtig spannendes Futter für Fans, die die Entwicklung des Albums nachvollziehen möchten. Die Demos klingen erwartungsgemäß ziemlich krachig, aber okay. Nur bei den beiden bislang unveröffentlichten Demos "Black Cat" (leider verzichtbar) und "Angel Of Fire" (positive Grundstimmung, sehr hörenswert) hätte man sich einen besseren Klang gewünscht, aber vermutlich gaben das die Quellen nicht her. Die Outtakes sind dann noch einmal sehr spannende Alternativen in bestem Soundgewand, die wie extrem gute Proberaumaufnahmen klingen. Leider habe ich keine weiteren Infos dazu gefunden.
Die Super Deluxe Edition enthält darüber hinaus eine zusätzliche Live-DVD und das Album sowie einige Bonustracks in High resolution-Abmischung auf Blu-ray. Dafür wird allerdings auch das Fünffache des Preises der Deluxe Edition aufgerufen.
Kurz zusammengefasst: Das TEMPLE OF THE DOG-Album ist ein unsterblicher Klassiker, den man haben muss. Die Neuauflage als Einzel-CD lohnt sich überhaupt nicht, da der originale Mix für meinen Geschmack homogener und wärmer klingt. Wer sich die Finger nach alternativen Abmischungen und Boni leckt, sollte sich jedoch die "Deluxe Edition" zulegen - man kann den Spieß dann umdrehen und einfach die Brendan O'Brien-Abmischung als Bonus sehen.
Chrischi
Stile: Metal und (Hard) Rock in fast allen Facetten
Bands: Metallica, Pearl Jam, Dream Theater, Iron Maiden, Nightwish ...