JIMMY EAT WORLD brauche ich vermutlich nicht vorzustellen. Wer auch nur ansatzweise mit Emo und Indierock in Berührung gekommen ist in den letzten 15-20 Jahren, wird wohl über die Band aus Arizona gestolpert sein. Es ist allerdings auch kein Geheimnis, dass der Vierer mit den Jahren immer poppiger geworden ist (obwohl das bei ihnen ja schon immer offensichtlich war). Wie wird ihr neues Album also ausfallen? Ein neues „Bleed American“ ist es jedenfalls nicht geworden. Muss es aber auch nicht.
Denn eines ist klar: JIMMY EAT WORLD schreiben wunderbare Popsongs, die sie nun eben mit Gitarren vortragen – und dieser unwiderstehlichen Stimme. Und genau da setzen sie mit „Integrity Blues“ an. Direkt beim Opener wird klar: Diese Akustikgitarre, der weiche Bass, die Hintergrundchöre und die gefälligen Harmonien zeugen nicht unbedingt von Emocore. Vielmehr sind JEW im Pophimmel angekommen. Zwar zeigen sie ganz vereinzelt mal Zähne, aber vor allem geht es um das Händchen von Songwriter Chad. Und der sucht in den Songs eher nach guter Untermalung seiner verträumten Melodien. Ab und zu wirkt es auf „Integrity Blues“ eher so, als würde die Suche nach einem Sound und weniger nach neuen Songs im Vordergrund stehen („Pretty Grids“). Aber bei den meisten Songs kommt ja irgendwann dieser Refrain, bei dem man ihm alles verzeiht.
Und ja: das hier ist Pop. Manchmal sogar at its best. Manchmal aber auch ein wenig zu niedlich – wie eben im Opener. Der zweite Song „Sure & Certain“ dagegen zeigt JIMMY EAT WORLD wieder mit ihren Stärken. Und danach geht es verträumt und melancholisch weiter. „It Matters“ beschreibt Beziehungsprobleme und schwebt nur so aus den Boxen. Die Arrangements sind sehr sachte, ein Keyboard spielt eine große Rolle, die Gitarren halten sich im Hintergrund und irgendwie ist der Bass streckenweise ziemlich leise und vor allem reduziert. Und bis auf das brachiale Ende zu dem ansonsten extrem reduzierten „Pass The Baby“ oder das an früher erinnernde „Get Right“ ist das ganze Album auch eher poppig und teilt sich in "beinahe-schnulzig" und "intim" auf. Bei Refrains wie in „You Are Free“ ist das auch keine Schwäche, sondern einfach der Beweis dafür, dass JIMMY EAT WORLD grandiose Popsongs schreiben.
Wer immer noch hofft, dass die Amis mal wieder die Keule auspacken, wird hier bitter enttäuscht. Wer allerdings begriffen hat, dass exakt so Musik im Radio klingen sollte – im Gegensatz zu dem, was dort läuft –, der wird hier wieder Melodien zum Dahinschmelzen finden. Vielleicht bin ich zur Zeit nur eben genau an dieser Stelle gut zu bekommen, aber mir gefällt dieses extrem poppige Album ziemlich gut – auch wenn ich nichts dagegen gehabt hätte, JEW mit etwas mehr Biss zu hören. Aber es bleiben nun mal wunderschöne ... Popsongs.