Stil (Spielzeit): Rock (zwischen Retro, Stoner und Alternative) (67:10)
Label/Vertrieb (VÖ): Sony (13.11.09)
Bewertung: 8,5/10
Links: www.themcrookedvultures.com, www.myspace.com/crookedvultures
Diese Rezension beginnt mit einer Pleite, sogar einer Blamage ohnegleichen und einem Geständnis in Einem: Da bringen drei lebende Legenden der Rockgeschichte als THEM CROOKED VULTURES zusammen ein Album raus und ich erfahre es erst wenige Tage vor Veröffentlichung. Zum Glück konnte ich trotz Schockstarre dieses Kleinod als Rezensionsexemplar ergattern. Naja, was man heutzutage halt so nennt: Ein Paar Millionen Nullen und Einsen. Bei einem retro-orientierten Projekt würde ich schon gerne ein schickes Booklet in Händen halten. Statt also zuerst das Äußere des gleichnamigen Debütalbums von THEM CROOKED VULTURES zu beschreiben wende ich mich kurz den drei Bandmitgliedern zu: Josh Homme, Dave Grohl, John Paul Jones. Eigentlich könnte man die Namen einfach so für sich stehen lassen, zu unübersehbar sind die Fußstapfen, die jeder dieser Herren im Bereich von Rock und Alternative hinterlassen hat. Ein paar Stichworte sollen deshalb genügen.
Der Jüngste im Bunde ist Joshua Homme, bekannt als Gitarrist von KYUSS, Sänger und Gitarrist bei QUEENS OF THE STONE AGE und Initiator der DESERT SESSIONS. Bei besagten QEENS OF THE STONE AGE spielt gelegentlich ein gewisser Dave Grohl Schlagzeug, was er auch schon bei NIRVANA tat. Seit etlichen Jahren bringt er mit den FOO FIGHTERS Rock in die Charts, hat aber dort den Frontmann-Posten an Gitarre und Mikrophon inne. Bleibt noch John Paul Jones. Wenn es bei den beiden jüngeren schon schwierig war, sich auf einzelne Punkte zu beschränken, so tut es bei ihm richtig weh. Als Bassist von LED ZEPPELIN war er Teil einer der besten und einflussreichsten Bands der Rockgeschichte und bildete eine Hälfte der sagenhaften Rhythmussektion Jones / Bonham. Für Dave Grohls FOO FIGHTERS spielte der Multiinstrumentalist Klavier, Mandoline und Mellotron auf den ruhigeren Stücken des „In Your Honor"-Doppelalbums. Ansonsten ist er seit Jahrzehnten als Arrangeur und Solokünstler tätig. Beim – bisher ohne Wiederholung gebliebenen – Reunion-Konzert von LED ZEPPELIN in London 2007 zeigte er wieder vor großem Publikum sein Können.
Alle drei sind bekannt dafür, gerne und häufig mit verschiedensten Kollegen zusammenzuarbeiten. Homme kannte Grohl, Grohl kannte Jones. Also spielte Grohl den Kuppler. Mit Erfolg: Zwischen Februar und Juli dieses Jahres entstand im „Pink Duck"-Studio von Josh Homme in Barbanks das selbstbetitelte Album, geschrieben und produziert von allen dreien, getextet von Homme.
Die Einflüsse der jeweiligen Hauptbands sind auf „Them Crooked Vultures" manchmal kaum trennbar verwoben, manchmal aber auch kontrastreich kombiniert (Negativ gesagt: grobmotorisch aneinander gestückelt. Positiv gesagt: spannungsreich und spannungssteigernd gegenüber gestellt). Die negative Variante kann man kaum glauben, da ja andere Passagen wie gesagt feinsinnige, sehr neu und aktuell, letztlich sogar zeitlos klingende Kombinationen der Stile darstellen. Sicherlich ist Josh Homme als Gitarrist und Sänger etwas dominanter als seine Mitstreiter. Das liegt nunmal in der Natur seines Doppelparts. Aber dies ist sicher kein „Soloalbum von Josh Homme featuring John Paul Jones und Dave Grohl", sondern eine ernsthafte Zusammenarbeit, die allen drei hörbar Spaß macht und – das ist das Wichtigste – tolle Lieder hervorbringt! Dass die drei gemeinsam für die Produktion verantwortlich zeichnen, hat wohl sein Gutes dazu beigetragen.
Das Album ist zugleich eine großartige Verbeugung Musikverrückter vor den ganz großen der Rockgeschichte als auch die weitere Zementierung des eigenen Heldenstatus' der drei Akteure, wie sie überzeugender kaum sein könnte. Kollaborationen können also eben doch mehr sein als ein müßiger Zeitvertreib zwischen Alben der Hauptprojekte oder selbstverliebtes Ins-Gespräch-bringen.
Für mich ist diese Kollaboration einer der leider eher wenigen Beweise, dass Supergroups klasse Musik machen können. Wie es so schön heißt: „Them Crooked Vultures" rockt wie Sau!
Mehr muss man ja eigentlich nicht sagen. Aber für Detailverliebte (ich weiß, dass es euch gibt!) folgen meine Eindrücke vom ersten Durchhören (so ein Album hört man natürlich ganz):
Der Opener ist „No One Loves Me & Neither I Do". Fängt locker-poppig an, Josh Hommes Gesang wirkt bei aller Coolness vitaler als zuletzt bei QOTSA und findet sich in der Gitarrenspur wieder – sehr nett, sehr lässig dargebracht. Ich gebe ein wenig meinem drängenden Optimismus nach. Zwischenstand: Der Fuß wippt. Der Song nimmt nach etwa 2 ½ Min. Fahrt auf. Normale Songs bringen noch ne Wiederholung und verabschieden sich dann. Nicht so „No One Loves Me...": Der fängt jetzt erstmal mächtig an zu marschieren. Der Sezierer vermeint hier das repetitive Element der QOSTA rauszuhören.
Es folgt „Mind Eraser, No Chaser". Weitgehend langweilig. Ein Zwitter aus schlechteren FOO FIGHTERS-Songs und mäßigen QOTSA-Songs. Umso überraschender, dass es als zweite Single ausgewählt wurde. Man könnte es als kleinsten gemeinsamen Nenner ansehen. Da hätte ich mir mehr Mut gewünscht!
Als erste Singleauskopplung ist „New Fang" schon bekannt. Geiler Song. Straight. Groovt nicht zuletzt dank des trockenen Basslaufs sehr cool und rockt. Das ist eine Single! Zwischenstand: Der Kopf nickt fleißig. Brauche eine bessere Anlage!
Viertes Stück: „Dead End Friends". Im mit 3:19 Min kürzesten Song des Albums wird wieder mit zunächst simplen Mitteln Coolness pur erzeugt. Klasse Steigerung!
Die Nummer Fünf ist „Elephants". Den kaum in Bezug zum restlichen, knapp siebenminütigen Stück stehenden Rahmen bilden kurze, schnelle Passagen in LED ZEPPELIN-Manier. Herrlich, bekomme feuchte Augen. Der eigentliche Song ist viel getragener. Schwerer Stoner Rock und schwerelose Parts gehen eine ungewöhnliche Allianz ein. Eine Gesangspassage der BEATLES geht in eine der DOORS über. Werden da Melodien und Intonationen bewusst zitiert? Egal, schon wieder ein mehr als überzeugendes Stück.
Der sechste Streich: „Scumbag Blues": Vereint Drums, Bass und Gitarre zu einer mächtigen rhythmischen Einheit. Man erinnere sich: das war eine der Stärken von LED ZEPP. Trockene Spieltechnik kann eben doch saftige Musik ergeben!
7. „Bandoliers". Zunächst sehr relaxt. Extravagant im Mittelteil. Bietet bisher eher unbekannte Tonfarben in Homme's Gesang.
Das folgende „Reptiles" ist ein leicht psychotischer Blues. Müsste Homme's Kumpel und Stammproduzenten Chris Goss (MASTERS OF REALITY) gefallen. Zugleich ist es einer der LED ZEPPELINesken Songs. Irgendwie wünscht man sich dazu den sagenhaften Gesang von Robert Plant, aber auch Josh Homme macht seine Sache in gänzlich anderem Stil echt klasse und zeigt sich erneut überraschend flexibel.
„Interludes With Ludes" bricht mit dem bisherigen Sound. Wie unter Wasser hört man ein Stück, über das man sagen kann, dass es in irgendeine abgedrehte Tarantino-Szene passen würde, so ausgelutscht diese Beschreibung auch sein mag.
Das nächste Stück hört auf den Namen „Warsaw Or The First Breath You Take After You Give Up" und ist mit fast acht Minuten das längste Stück des Albums. Beginnt harmlos als trockener Blues. Noch ahnt man nicht, dass man in famoser Weise in dunkle Phantasien des THE DOORS-Kosmos entführt wird. Alle drei Musiker in Hochform perfekter Abstimmung. Ein echter Brocken: ausschweifend, düster, krank. Jetzt macht das vorherige Stück noch mehr Sinn.
Zum Schluss hin kommen noch „Caligulove", sozusagen das DEEP PURPLE-Stück des Albums (einschließlich Orgel), „Gunman" mit Dancebeat (vielleicht der modernste Song) und das dramatische, mit vielen Gesangsspuren versehene „Spinning In The Daffodils".
Nach vierzehn Stücken in 67 Minuten ist das Album vorbei und ich höre es mir noch mal an. Das sagt genug, oder?!?