Geschrieben von Lars Dienstag, 29 August 2006 02:10
The Sound Of Animals Fighting - Lover, The Lord Has Left Us
Stil (Spielzeit): experimenteller Indie (56:14)
Label/Vertrieb (VÖ): Cargo / Equal Vision (28.07.2006)
Bewertung: ein "wachsendes" Album (vorläufig 7 von 10 Punkten)
Link: www.thesoundofanimalsfighting.com
www.myspace.com/thesoundofanimalsfighting
THE SOUND OF ANIMALS FIGHTING aus Kalifornien darf man wohl als eine der ungewöhnlichsten Bands überhaupt bezeichnen – wenn man denn von einer Band im üblichen Sinn sprechen kann.
Vielleicht ist "Projekt" passender, besteht das Line-Up doch derzeit außer den Musikern The Nightingale (Produzent, Gesang), The Walrus (Lead Gitarre, Gesang), The Lynx (Drums), The Skunk, The Ram, The Penguin und The Wolf (alle Gesang) aus The Giraffe (Album Artwork) und The Hyena (Recording, Mixing). Rechnet man noch neun Beteiligte des vor Energie berstenden Vorgängerwerkes "Tiger And The Duke" hinzu, die aufzuzählen ich mir spare, so kommt man auf satte 18 Teammitglieder! Auf einmal getroffen haben sie sich noch nie und spielen Ende August 2006 die einzigen Konzerte ihrer Bandgeschichte. Die drei erstgenannten Musiker, die den Kern der Band bilden, sollte man unter ihren zivilen Namen Balling, Embree und Tsagakis von den überaus genialen RXBANDITS kennen, deren wilde Mischung aus Rock, Prog, Ska, Emo und Jazz bahnbrechend ist. Die vier Sänger entstammen den Bands CIRCA SURVIVE, THE AUTUMNS, CHIODOS und DAYS AWAY.
TSOAF verstehen sich als ein Kollektiv aller Beteiligten, das ein Gesamtwerk erschaffen will, welches wiederum eine untrennbare Einheit aus Musik und Inhalt sein soll. Klingt furchtbar nach abgehobenem Künstlergeschwafel, was? Keine Angst, ist alles halb so wild, obwohl auch die Arbeitsweise aus dem Rahmen des Üblichen fällt, denn nur Rich "Nightingale" Balling und Matt "Walrus" Embree hatten bei den Aufnahmen einen Gesamtüberblick über die Aufnahmen, wohingegen alle anderen ihre Parts isoliert einspielten.
Gesangslinien, Gitarrenläufe und die zwischen Abwesenheit, dezenter Untermalung und penetranter Hektik wechselnden Beats von Schlagzeug und Compi vereinen sich manchmal zu einem gemeinsamen Rhythmus, laufen dann wieder auseinander oder gar gegeneinander. Harmonische Gesangsparts in hohen Tonlagen, wie man sie aus dem Emo- und Screamobereich oder auch von THE MARS VOLTA und COHEED AND CAMBRIA kennt, wandeln sich urplötzlich in gesampeltes Chaos, gehen in diversen Geräuschen und Soundschnipseln unter, nur um umso strahlender wieder aufzutauchen. Noise und irritierende Sprachfetzen ziehen sich durch das ganze Album. Teils verfremdete musikalische Ausflüge in den Hard Rock, Emo und Blues, aber auch in die Klassik, das Balladeske, nach Asien, in die altertümliche indische Sprache Sanskrit und in Soundscapes zeigen dem Hörer die abgedrehte Welt des enormen künstlerischen Schaffenswillens von TSOAF.
Tja, wollen die zuviel?, fragt man sich. Wer das konsistentere sowie stärker zwischen Songs und Interludes trennende Debüt "Tiger And The Duke" mochte und mit der entfesselten Experimentierfreudigkeit dieses Albums nicht klarkommt, könnte manche Stücke gar als Frechheit empfinden, so konsequent wurden aus möglicherweise getrennt entwickelten Songs Collagen zusammengebastelt und Möglichkeiten zu eingängigen Hits links liegengelassen. Die Patchworkmentalität lässt einen an das tolle Wort "Dekonstruktivismus" denken. Ach ja, Zwischenstücke gibt es diesmal auch wieder, aber diesmal sind sie entweder Noise-Sample-Chimären oder reine Gesangsparts. Dazu noch ein Artwork, das sich zumindest mir nicht erschließt, eine schwer lesbare und unvollständige Tracklist und das Fehlen der Songtexte…die machen's einem echt nicht leicht, die Viecher...äh, Jungs.
Aber was soll's! Die exotische Soundlandschaft ist es eindeutig wert, erwandert zu werden, auch wenn man hier und da angegrunzt, -gebellt und -gequiekt wird!
Falls der Text noch nicht präzise genug war, hier einige vergleichbare Musikschaffende: THE MARS VOLTA, FÂNTOMAS, MR. BUNGLE, PORTUGAL.THE MAN, COHEED AND CAMBRIA, BJÖRK und RADIOHEAD.
Anspieltipps, beginnend mit der einfachsten "Aufgabe":
Podcast mit Nightingale, der vier (leicht zugängliche) Songausschnitte und die Band vorstellt
Track 13, "The Heretic": mit Abstand am eingängigsten; eine wunderschöne, geradezu radiotaugliche Ballade mit etwas verbranntem Menschenfleisch im Text…
Track 10, "This Heat": zehn hypnotische Minuten
Track 07, "Stockhausen, es ist ihr Gehirn, das ich suche": alleine schon wegen des Titels eine Erwähnung wert, aber auch das Thema ist interessant: der unter anderem wegen seiner gelinde gesagt missverständlichen Äußerungen zu den Anschlägen auf die Twin Towers umstrittene deutsche Komponist Karlheinz Stockhausen.