Stil (Spielzeit): Avantgarde Black Metal (41:54)
Label/Vertrieb (VÖ): Forgotten Path (02.04.11)
Bewertung: 8,5/10
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Oha, die Philosophie schlägt zu. INQUISITOR vertonen auf ihrem Debüt-Album, nach einer längeren Zeit der Existenz zwischen zwei Demoscheibchen, philosophische Geschichte zwischen Metaphysik, Empirismus und Schopenhauer. Litauen ist die Heimat und anspruchsvoll die Musik.
Ein kleines Intro steht alleine da, es wird erzählt, man weiß nicht genau, um was es geht – und doch klingt es ein bisschen unheimlich. Man könnte es natürlich auch im Booklet mitlesen, doch dies wirft nur neue Fragen auf. So ist sie eben, die Philosophie.
Darauf folgen vier Stücke, jeweils in drei Abschnitte mit Überschriften unterteilt, so dass die jeweils ungefähr zehn Minuten Spielzeit gut gefüllt sind. Die einzelnen Passagen sind mit griechischen Buchstaben durchnummeriert und führen durch die Philosophie-Geschichte mit ihren Höhen und Tiefen. So viel zu den „Äußerlichkeiten", damit man weiß, womit man es zu tun hat.
„Principia Mathematica Philosophiae Naturalis" (die ersten beiden Worte sind ein großes Werk von Alfred Whitehead und Bertrand Russell) eröffnet den intellektuellen Reigen im Black Metal-Gewand. Nettes Kreischen, progressives Baumsägen sowie rhythmische Kalauer zeigen die musikalische Härte und Schwierigkeit an. Dabei muss man aber festhalten, dass aller Komplexität zum Trotz man sich nicht sofort in merkwürdigen oder nicht vorhandenen Strukturen verliert. Das erste Mal ist vielleicht anstrengend, aber nach dem fünften Mal wird es durchsichtiger und gewisse Motive wiederholen sich, so dass die Chance zum Verständnis immer bleibt.
Recht bald schleicht sich das Piano zu einer führenden Melodie empor. Deshalb wird diese Platte durchaus mit Recht mit der Musik von ARCTURUS verglichen, auch wenn die cleanen Vocals dort mehr Gewicht erhalten, als bei den Stimmbandübungen von INQUISITORs Frontmann, der sogar auch deftige Growls zu bieten hat. Als es in den dritten Part des ersten Songs „revolt" übergeht, bemerkt man dies an dissonantem Riffing. Selbst die Drums revoltieren hier, während die vielfältigen Spielereien fast auf die Spitze getrieben werden.
Man könnte erstens den ersten Track noch weiter analysieren und zweitens folgen noch drei Stücke dieses Kalibers – weshalb eine kurze Übersicht reichen soll.
„Die Welt Als Wille Und Vorstellung" ist das Hauptwerk von Arthur Schopenhauer und der dritte Track auf dieser CD. Deutlich stärker wird hier das Klavier in den Vordergrund gerückt, was in Kombination mit manchen Gitarren-Leads erstaunlich wenig Spannung bringt, in manchen Teilen aber fiese Harmonien erzeugt, die jeden Tiefschläfer wachrütteln. Mittels schwerwiegenden Wiederholungs-Breakdowns wird das Stück in der Mitte auf interessante Weise geteilt, bevor man sich gegen Ende in schwarzen Stakkato-Riffs mit dem Piano duelliert.
Dagegen rocken die Jungs in „Corpus Hermeticum" zunächst erstaunlich umgänglich mit der Doublebass durch die Gegend. Wenn man die Lauscher aufsperrt, kann man durchaus kleine Motive entdecken, die zumindest ähnlich wieder einmal vorkommen. Dies hilft über die komplizierte Gesamtstruktur hinweg. Manche der Unterabschnitte hätte man je nachdem auch als einzelne Stücke herausschneiden können, das Gesamtkonzept verbietet das jedoch hier.
Musikalisch wird mit verschiedenen Klängen gar nicht übermäßig experimentiert. Außer einem starken Klavier-Einsatz, wird der avantgardistische Charakter hauptsächlich durch komplexe Songgebäude dargestellt, der mit seinem Kreischgesang auch entfernt an EMPEROR erinnert, wobei IHSAHN ja neuerdings lieber mit einem Saxophon arbeitet. Wer sich also eine kopflastige Mischung aus Black-, Dark- und Math Metal und vielleicht noch anderen Komponenten als gedankliches Fluchtmedium erwählen will, bitte sehr. Die Avantgarde ist gelungen, würde ich sagen. Oder wie Schopenhauer einst sinngemäß meinte: Mit Hilfe der Musik kann man in ihrer Ästhetik das schmerzvolle Dasein überwinden und in das Nirwana eingehen.
Manuel
"Größtenteils harmlos."