Als Schreiberling eines Metal-Webzines kommt es gar nicht so selten vor, dass man vor der Tastatur seines Rechners sitzt und sich denkt: „Wie zur Hölle soll ich denn diesen Artikel jetzt schon wieder anfangen?“ Offensichtlich, dass den Autor gerade genau diese Frage heimsucht. Diesmal geht es also um CORPUS DIAVOLIS, eine französische Black-Metal-Band, welche mit "Atra Lumen" ihr inzwischen drittes Werk vorlegen. Satanischer Black Metal also ... Warum also nicht mit einer Ziegenschlachtung beginnen? Vielleicht würde sich auch die humoristische Aufarbeitung eines Ritualmordes eignen, gewürzt mit einer Prise Hintergrundinformationen zur Entstehungsgeschichte der Verehrung Lucifers. Die Möglichkeiten sind eigentlich unbegrenzt, doch irgendwie wirkt alles so ausgelutscht. So wie der Satanismus als Marketingprodukt selbst, denn wie viele dieser schwarzmetallischen Formationen sind schon wirklich satanistisch? Oder sind CORPUS DIAVOLIS etwa tatsächlich ...?
Ja, tatsächlich. Man möchte es kaum glauben, aber das Quintett von ATMF spricht in Interviews gerne ganz offen über ihre alternative Lebenseinstellung. Ebendiese spiegelt sich auch in den Texten auf "Atra Lumen" wider, welche ausschließlich von esoterischen Ideen wie Tarot, Schamanismus oder auch den Vorstellungen des chilenischen Filmemachers Jodorowsky handeln. Und diese Vertonung des Pfades zur linken Hand klingt für eine Black-Metal-CD überraschend klar produziert. Mitunter könnte man die in den Priory Recording Studios von Birmingham gemixte Platte vom Prduktionsniveau her mit einer guten Death-Metal-Scheibe vergleichen. Das tut dem tiefschwarzen Vergnügen aber keinerlei Abbruch, denn die Atmosphäre auf "Atra Lumen" ist brillant.
Atmosphärische Brillanz
Auf einzelne Songs einzugehen, würde dem vorliegenden Werk des Fünfers kaum gerecht werden, obwohl sich zu jedem Song wohlklingende Worte finden lassen würden. Da wirkt "L'Oeil Unique" wie ein Opferritual an den Herrn der Unterwelt selbst und ganz nebenbei verpasst "Flesh To Flesh" mir den ersten Black-Metal-Ohrwurm meines kurzen Lebens. Doch es ist "Atra Lumen" als Gesamtwerk, das besticht. Knapp 45 Minuten lang sorgen die Kuttenträger für ein mit Sünde geschwängertes Ambiente, welches unter die Haut geht. Als wäre man unversehens in eine satanistische Prozession in einem verborgenen Gemäuer der Kanalisation hinein gestolpert. Verantwortlich hierfür ist neben der dunklen wie monotonen Instrumentierung und den gut ausgearbeiteten Melodielinien vor allem die Stimme des Daemonicreators (so nennt er sich wirklich) selbst, welche von wildem Black-Metal-Keifen über ekliges Gegurgel bis hin zu Predigtgesängen alles beherrscht und dieses auch geschickt einzubauen versteht.
Ja, CORPUS DIAVOLIS erfinden mit alldem das Genre des Black Metals, des okkulten im Speziellen, nicht neu. Sonderlich kreativ mag das nicht sein und manchmal besitzt "Atra Lumen" gar etwas klischeehaftes. Doch ändert dieser Umstand nichts an der Tatsache, dass das neue Werk der Satanisten eine gewaltige Atmosphärenkeule ist und sich, aufgrund der tollen technischen Umsetzung und einer nicht zu unterschätzenden Sogwirkung, das Prädikat „Sehr Gut“ mehr als verdient hat. Wer noch nach einem neuen Soundtrack für das wöchentliche Opferritual sucht oder sich einfach nur im Kerzenschein vor sich hin gruseln will, sollte auf jeden Fall zuschlagen!
Tracklist
- Revelations Before Dawn - 6:22
- The Ardent Jewel Of His Presence - 5:52
- L'Oeil Unique - 5:54
- Signs Of End Times - 4:12
- Wine Of The Beast - 6:27
- Flesh To Flesh - 4:52
- Thy Glorification - 3:37
- Sick Waters - 6:46
Band
Dameonicreator - vocals, synths
Lord Khaos - guitar
Analyser - lead guitar
Funeral - bass
IX - drums