Weltschmerz – das ist die wohl treffendste Übersetzung für den Begriff "Saudade“. Auch "Wehmut“, "Sehnsucht“ oder "sanfte Melancholie“ sind gute Annäherungen an das portugiesische Wort, womit Hugo Gabriel das zweite Album seines Ein-Mann-Projektes LASCAR betitelt hat. So wirklich verstehen kann das Wort aber wohl nur ein Muttersprachler. Steht es doch für das nostalgisches Gefühl des Verlustes, welches mit dem unterbewussten Wissen einhergeht, dieses Verlorene nie wieder zurück erlangen zu können. Ein Gefühl, welches die Portugiesen nach der Niederlage bei Alcácer-Quibir 1578 so beschäftigte, dass dieses umgehend eine schriftliche Ausdrucksform benötigte. Und auch auf die neue Platte des chilenischen Black-Metal-Projekts passt der Begriff wie die Faust aufs Auge.
Denn die 42 Minuten auf "Saudade“ sind ebenso schwer greifbar, wie die Bedeutung des Wortes selbst. Gut, kategorisieren kann man LASCAR mit seinem atmosphärischen Black Metal, der kaum ein Klischee des Genres auslässt, leicht. Doch die überlangen Songs wirklich zu begreifen, fällt ungleich schwerer. Thematisch wie musikalisch orientiert sich der Chilene aus Santiago dabei am Vorgänger "Absence“. Heißt: Black Metal im Breitwandformat, der einen in einen Mahlstrom aus monotonen Gitarrenwänden zieht und diesen mit epischen Melodien garniert, was einem in Kombination die Wildheit der Natur und die Zerstörungskraft des Menschen bildlich vor Augen führt. Durchwoben sind die Stücke dabei von an Shoegaze erinnernde Akustikpassagen, die wie Ruheoasen in einem tobenden Ozean wirken.
Diese Metaphern klingen zuerst nach übertriebenem Pathos, machen beim Hören aber durchaus Sinn, denn "Saudade“ macht es einem schwer, die Stücke konzentriert zu verfolgen, sondern lädt einen immer wieder dazu ein, die Augen zu schließen und sich dieser musikalischen Urgewalt hinzugeben.
Einmal "Absence"-Nachschlag, bitte!
Als vorteilhaft erweist sich hierbei die im Vergleich zum Vorgänger verbesserte Produktion, die das doch arg nervige Rauschen des Vorgängers endgültig in die Vergangenheit verbannt und den Fokus allein auf die Musik selbst legt. Allerdings muss sich die Geschichte vom Verlust der Natur auch die Kritik gefallen lassen, dass sie definitiv nichts Neues zu bieten hat. Nicht nur werden Fans des Genres kaum innovative Ideen entdecken können. Nein, auch nach Weiterentwicklungen zum Vorgänger muss der Hörer buchstäblich mit der Lupe suchen. War der Sprung von der Demo "Dephts“ zum Debüt "Absence“ noch gewaltig, klingt „Saudade“ nach dem verloren geglaubten Zwillingsbruder des Vorgängers.
Das ändert nichts daran, dass Hugo Gabriel mit "Saudade“ einmal mehr eine hervorragende Black-Metal-Scheibe produziert hat, deren Faszination ich mich trotz dem vagen Gefühl des „Das-kenn-ich-doch-irgendwoher“ einfach nicht entziehen konnte. Allerdings muss die Frage erlaubt sein, ob dieser Ansatz auch bei einem möglichen Nachfolger noch einmal funktionieren kann.
Bis dahin dürften aber jedem Fan von atmosphärischem Post Black Metal bei Tracks wie "Uneven Alignment“ oder "Bereavement“ Freudenschauer über den Nacken huschen, was LASCAR einmal mehr eine sehr gute Wertung einbringt. Also sucht euch ein schönes Plätzchen unter freiem Himmel, lehnt euch zurück und genießt einfach! Erhältlich ist das Album als digitaler Download über Bandcamp. Am 15. September folgt dann das offizielle CD-Release der Platte.
Tracklist
01) Tender Glow 10:25
02) Thin Air 8:49
03) Uneven Alignment 8:34
04) Bereavement 14:25