Die niederländischen Horror-Metaller sind für ihre Konzeptalben mit opulenten und detaillierten Hintergrundgeschichten bereits über ihre Genre- und Landesgrenzen hinaus bekannt. Auf ihrem letzten Werk „Dance and Laugh Amonst the Rotten“ entfernten sie sich zwar von ihrer einst sehr gradlinigen Erzählweise, perfektionierten damit aber weiter ihren sehr besonderen Stil.
“Franckensteina Strataemontanus“ führt diesen Stil fort und erzählt Geschichten von und um Johann Konrad Dippel, seinerzeit Okkultist, Alchemist und Gelehrter mit einer Vorliebe, an toten Menschen und Tieren zu experimentieren, auch um diese womöglich wiederzubeleben. Der Albumtitel kommt nicht von ungefähr, denn der auf Burg Frankenstein geborene Dippel nutzte zu Studienzeiten „Franckensteina-Strataemontanus“ als Namenszusatz. Ein erster Anhaltspunkt dafür, dass sorgfältige Recherche für CARACH ANGREN genauso zu einem gelungenen Konzeptalbum gehört wie die musikalische Umsetzung.
Geschichten von Burg Frankenstein
Das Album beginnt erzählerisch. Das Intro „Here in German Woodland“ und der sich anschließende Song „Scourged Ghoul Undead“ zeichnen ein schauriges Bild eines verstorbenen Jungen am Fuße der Burg Frankenstein. Ein Omen für das, was den Hörer in der nächsten dreiviertel Stunde erwarten wird.
Musikalisch legen CARACH ANGREN sofort richtig los. Industrielle Blastbeats, eigebettet in ein symphonisch-orchestrales Gewand und kombiniert mit Dennis „Seregor“ Droomers schaurig wandelbarer Stimme, bauen die Horroratmosphäre weiter aus. Der Titeltrack „Franckensteina Strataemontanus“ ist das erste Highlight des Albums. Mit seinem groovigen Gerüst und einem Refrain mit Ohrwurmpotential ist dieser Track einer derer, die man nicht so schnell vergisst.
„The Necromancer“ erzählt die bereits etablierte Geschichte Dippels weiter, der nun dabei ist, sein Monster zu erschaffen. Ein sehr hörenswerter Song, der zum ersten Mal ein textliches Stilmittel einsetzt, welches später noch einmal in Erscheinung treten wird: die Verwendung einiger Zeilen deutscher Sprache, um die Intentionen des Besungenen zu untermauern. Die erste Albumhälfte endet mit einem opulenten orchestralen Werk mit einer Violine im Vordergrund neben Seregors Gesang, untermauert von den sich durchziehenden Blastbeats. Eine von den Niederländern gerne verwendete Kombination.
Monster unter uns
In der zweiten Albumhälfte nehmen CARACH ANGREN von der Person Dippels Abstand und beschäftigen sich mit den Auswirkungen seiner Person und seinen Erfindungen. Der sechste Albumtrack „Operation Compass“, der sich, wie der Titel bereits andeutet, der gleichnamigen Operation zu Beginn des zweiten Weltkriegs widmet, scheint thematisch auf den ersten Blick überhaupt nicht ins Konzept zu passen.
Mit etwas Recherche jedoch lässt sich auch hier ein Bezug zu Johann Konrad Dippel herstellen, dessen Tieröl zur chemischen Kriegsführung verwendet wurde. Ein weiterer Beweis dafür, wie weit CARACH ANGREN gehen, um ein Album so authentisch wie möglich zu machen. Musikalisch entfernen sich die Niederländer hier von ihrem typisch orchestralen Gewand und gehen ein wenig mehr in Richtung Melodic Death Metal. Eine weitere Abwechslung auf einem durchweg spannenden Album.
Die folgenden Tracks „Monster“ und „Der Vampir von Nürnberg“, letzterer zur Hälfte in deutscher Sprache verfasst, sind nicht nur gut gewählte Singles, sondern auch echte Highlights des Albums, die mit großer Sicherheit auch live zu Publikumsfavoriten werden. Während „Monster“ sich mit der Erschaffung eines Monsters beschäftigt und musikalisch mit kreischenden Geigen und schweren Drums auch genau so angelegt ist, erzählt „Der Vampir von Nürnberg“ von Serienmörder Kuno Hoffmann, der sich von Dippels Experimenten inspirieren ließ.
Musikalisch haben CARACH ANGREN mit diesem Track eine kompositorische Glanzleistung vollbracht. Keyboarder Clemens „Ardek“ Wijers hat es geschafft, einen Song mit vielen Facetten, Details und Nuancen zu produzieren, der trotzdem ins Ohr geht und dort auch bleibt.
Auf den letzten Metern des Albums geben CARACH ANGREN nochmal richtig Gas und holen alles aus ihrer Symphonic-Black-Metal-Trickkiste heraus. Das führt leider bei „Skull With a Forked Tongue“ dazu, dass der Track musikalisch klingt wie ein Sampler ihrer größten Hits. Mit „Like a Conscious Parasite“ schließt sich der Kreis thematisch und der Hörer kehrt wieder zu dem toten Jungen des Anfangs zurück. Hier ist es dem Duo gelungen, einen absolut epochalen Track zu schreiben, der nach einem langsamen Beginn, einer maximalen Steigerung von allen Instanzen, Gesang, Orchester und Band wieder langsam ausklingt und so das schaurige Abenteuer zur Burg Frankenstein und Johann Konrad Dippel beendet.
Fazit
„Franckensteina Strataemontanus“ ist ein wirklich gelungenes Werk des Erzählens und Vertonens von Horrorgeschichten. CARACH ANGREN haben es geschafft, nach ihrem sehr starken letzten Album noch einmal eins draufzusetzen und ihr wohl bestes Album bis jetzt zu schreiben. Auch hier haben sie von ihrem Talent Gebrauch gemacht, die Songs ihres Konzeptalbums, welche unweigerlich zusammengehören, einzeln herausstechen, funktionieren und wirken zu lassen.
Musikalisch sind sie ihrem Stil größtenteils treu geblieben, haben diesen aber auch an vielen Stellen weiterentwickeln können. Der einzige Punkt der Kritik sei hier, dass sich CARACH ANGREN an einigen Stellen zu sehr selbst zitiert haben und der unumgängliche „Hat man schon mal gehört“-Moment den betreffenden Song ein wenig zerstört. Nichtsdestotrotz ist „Franckensteina Strataemontanus“ ein Hammer-Album, das nicht nur Fans des Horror-Genres auf ihre Kosten kommen lässt.
Trackliste:
- Here in German Woodland
- Scourged Ghoul Undead
- Franckensteina Strataemontanus
- The Necromancer
- Sewn for Solitude
- Operation Compass
- Monster
- Der Vampir von Nürnberg
- Skull with a Forked Tongue
- Like a Conscious Parasite I Roam
- Bonus: Frederick’s Experiments