Ethereal Shroud - Trisagion Tipp

Ethereal Shroud - Trisagion

Auf den letzten Metern des vergangenen Jahres veröffentlichten ETHEREAL SHROUD ihr zweites und gleichzeitig finales Album "Trisagion". Auch, wenn es die Scheibe nicht mehr in unseren Jahresrückblick 2021 geschafft hat, sollte sie als eines der besten atmosphärischen Black-Metal-Werke der letzten Zeit frei nach dem Motto "besser spät als nie" unbedingt den Weg in eure Gehörgänge finden.

Gegründet wurde das Projekt 2013 von dem Briten Joseph Hawker, der sich in seinem Bandcamp- und Spotify-Profil als "anti-fascist and angry at the world" beschreibt. Im gleichen Jahr erschien das Demo "Absolution|Emptiness", 2015 das Debütalbum "They Became The Falling Ash".

Sechs Jahre nahm sich Hawker, der für sämtliche Kompositionen und Songwriting, Lyrics und Arrangements, Gitarren und Vocals verantwortlich war, Zeit, um mit "Trisagion" seinen Schwanengesang zu kreieren. Der atmosphärisch höchst intensive Black Metal zwischen mörderischer Raserei und höllisch groovendem Midtempo ist gesprenkelt mit doomigen Einflüssen und melancholisch-magischen Melodien. In den Sinn kommen DEKADENT, DRAUGNIM, stellenweise gar WOODS OF YPRES.

Die schwarzmagische Reise führt durch uralte Gemäuer, von Blitzen durchzuckte, wellengepeitschte Tiefen und dichten Nebel, in dem nichts weiter als knorrige Äste zu sehen sind. Schließlich bahnen sich einzelne Sonnenstrahlen ihren Weg durch die trübe Finsternis, bis sich das Licht wie durch ein Prisma mit leuchtenden Farben in seiner erhabensten Pracht zeigt.

Die monumentalen Epen auf "Trisagion"

Der Opener "Chasmal Fires" nimmt sich Zeit. Mit dumpfen Trommelschlägen, sakralen Orgelklängen und einer majestätische Tonfolge, untermalt von einer Bratsche, stimmen ETHEREAL SHROUD auf ein 28-minütiges Mammut-Epos ein. Nach dem wuchtigen Einstieg der verzerrten Gitarren folgt kontrollierte Raserei, das anfängliche Motiv wird wiederholt und variiert, bis es sich so tief in die Gehörgänge gebohrt hat, dass es kein Entrinnen gibt.

Das kurze Gastspiel von Shannon Greaves sorgt für einen ätherischen Moment der Verzückung, der später noch einmal instrumental aufgenommen wird. Am Ende branden erhabene Melodien wie Wellen gegen ein monolithisches Konstrukt aus Gitarrenwalzen, Blastbeats und verzweifelt krächzenden Vocals.

Durch "Discarnate" ziehen sich von majestätischen Orgeln akzentuierte, hypnotische Gitarren. Das mit 14 Minuten kürzeste Stück als "straight" zu bezeichnen, wäre anhand der immer noch opulenten Spielzeit übertrieben. Doch trotz zahlreicher Tempowechsel und massig Abwechslung erschließen sich die Struktur, epischen Riffs und heroischen Harmonien etwas schneller.

Generell wirkt das Material auf "Trisagion" einfach extrem kurzweilig. Lässt man sich darauf ein, vergeht die Spielzeit wie im Flug – das wohl beste Qualitätsmerkmal, das man Songs mit (massiver) Überlänge bescheinigen kann.

Mit einer wunderschönen, auf einem Piano vor sphärischen Keyboards gespielten Melodie beginnt "Astral Mariner" ganz dem Titel entsprechend entrückt, bevor in herrlichster Doom-Manier brachiale Gitarren und ein fettes Rhythmus-Gerüst die Führung übernehmen. Erst nach 5 ½ Minuten setzt das atmosphärische Armageddon ein, wie in "Chasmal Fires" wird die Anfangsmelodie auf jede erdenkliche Weise aufgenommen und neu ausgerollt. Trotz Hass, Düsternis und Verzweiflung: Die erhabenen Gänsehaut-Melodien sind einfach nur zum Heulen schön.

Auf den physischen Formaten findet sich mit "Lanterns" ein weiterer, auf Bandcamp auch als Demo erhältlicher Song. Laut Hawker passt er nicht zum Konzept der Song-Trilogie und sollte deshalb davon losgelöst betrachtet werden. Tatsächlich ist "Lanterns" anders: Die Nummer beginnt mit verträumten Gitarrenharmonien vor sehr akzentuiertem Bass und schwebt eine lange Zeit erhaben im Midtempo durch den Raum, bis das Tempo angezogen wird und sich die Intensität steigert.

In einer depressiven, von suizidalen Gedanken getriebenen Lebensphase beschreibt die Nummer Hawkers Reise zurück ins Licht, und ist ein Paradebeispiel für "positiven" Black Metal. Was ETHEREAL SHROUD speziell mit "Lanterns" abliefern, ist kristallklar, pur und rein, wie die klare Winterluft, die man auf einem von der Sonne beschienenen, schneebedeckten Berg atmet, von dem aus der Blick über das nebelverhangene Tal schweift.

Die Musiker hinter ETHEREAL SHROUD

Joseph Hawker schichtet Gitarre auf Gitarre, schreddert mit chirurgischer Präzision alles nieder und entlockt seinem Instrument neben knochentrockenen Riffs melodische, absolut hypnotische Leads. Dabei speit er mit wütendem Krächzen seinen Hass auf die Menschen und die Welt hinaus.

Drummer John Kerr beherrscht anscheinend alle Spielarten, die man im Metal auch nur ansatzweise nutzen kann. Scheinbar mühelos wechselt er von ultrapräzisen Blastbeats zu mörderischen Doublebass-Orgien und schleppend versetzten Grooves, baut Fills ein, als gäbe es kein Morgen, und trümmert mit beeindruckendem Abwechslungsreichtum alles nieder, was sich ihm in den Weg stellt.

Bassist Richard Spencer hält sich die meiste Zeit unterstützend im Hintergrund, darf aber immer wieder im Rampenlicht brillieren, wenn die Songpassagen es zulassen – mal mit an Cliff Burton angelehntem, verzerrten Lead-Bass, dann wieder mit fingerfertigen Mini-Soli.

Auch Tontüftler Spenser Morris gebührt ein fettes Lob. Mit seinem angenehm rauen, trockenen Mix hat er "Trisagion" den perfekten Sound auf den Leib geschneidert. Absolut passend ist auch das fantastische Artwork von Phil Lang, das man hoffentlich noch in Plattengröße bestaunen darf.

"Trisagion" ist ein atmosphärischer Black-Metal-Meilenstein

Gerade vor dem Hintergrund der Lyrics, die geprägt sind von Verzweiflung, Wut und negativen Emotionen, fällt es etwas schwer, ETHEREAL SHROUD mit positiven Begriffen zu zu verbinden. Aber genau das ist "Trisagion": Ein gleichermaßen rasendes, hasserfülltes und tiefschwarzes wie hoffnungsvolles, positives und wunderschönes Meisterwerk, das den Hörer vollkommen in seinen Bann zieht – idealerweise mit dem prächtigen Artwork auf dem noch nicht erschienen Vinyl, alternativ als auf 1.000 Stück limitiertes Digipack, noch erhältlich z. B. im Northern Silence Shop, oder digital via Bandcamp.

"Trisagion" Trackliste:

1. Chasmal Fires (27:47)
2. Discarnate (13:54)
3. Astral Mariner (22:34)
4. Lanterns (Bonustrack) (13:37)

ETHEREAL SHROUD Line-up:

Joseph Hawker - Guitar, Vocals, All Compositions and Songwriting, Lyrics, Arrangements
Richard Spencer (Ba'al) - Bass, Viola
John Kerr (Marsh Dweller, Pyrithe, Vit, Seidr) - Drums
Shannon Greaves - Guest Vocals (track one)

Spenser Morris - Drum Recording, Mixing, Mastering
Phil Lang - Artwork

Chrischi

Stile: Metal und (Hard) Rock in fast allen Facetten

Bands: Metallica, Pearl Jam, Dream Theater, Iron Maiden, Nightwish ...