Weidenbaum - Raue Winde und blasse Schwingen




Stil (Spielzeit): Melodic Black Metal / Dark Folk (58:52)
Label/Vertrieb (VÖ): Düsterwald Produktionen (August 09)
Bewertung: 8 / 10


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Extreme Poetry Metal... So steht es geschrieben. Auf dem Promo-Sheet vom WEIDENBAUM. Was könnte das sein: Reinhard Mey bei NAPALM DEATH? ANAAL NATHRAKH unplugged? Ich ahne Fürchterliches...
WEIDENBAUM ist im Wesentlichen "Lirtes" aus Baden-Württemberg, wo die Menschen nach deren Angabe alles können, außer Hochdeutsch. Lirtes kann ganz sicher Gitarre, Schlagzeug, Bass und „Stimmen". Als Gastsänger fungiert Alvar Elron.

Melancholisch relaxt geht's los. Akustisch. Sehr nett. Ich will's mir genießerisch bequem machen, als ein unfassbar chlichéhafter Text in aller-„bester" Liedermacher-Tradition und in adäquat triefiger Darbietung das Blut in den Adern gefrieren lässt. Ich hab's geahnt! Das ist nicht poetisch, sondern schmalzig. --- Dass die Musik inzwischen wuchtiger geworden ist und ein geiles Lead jede Aufmerksamkeit verdient hat, entgeht angesichts der ganz bösen Drohung... „Wie soll das alles enden, so trist und ungewiss / wie soll ich all das finden, was ich so sehr vermiss"...  Aber genau da zündet ein rettendes Riff und schön irrer Black Metal Gesang setzt ein.  Und dem Grauen ein Ende. Das hatte ich so sehr vermisst! Klasse. Aber kurz bevor ich vollends versöhnt bin, bricht Troubadix wieder aus dem Unterholz hervor... Eigentlich eine sehr schöne Nummer mit guter Dynamik, aber der Klargesang legt sie gehackt...

Bei den nächsten drei Stücken wird auf selbigen verzichtet. Und der WEIDENBAUM erblüht ungestört in seiner ganzen dunklen Pracht. Die Kontraste aus ruhigen, nachdenklichen Passagen und kräftigen Eruptionen (von Mid-Tempo bis Blast) schaffen starke Atmosphären und sorgen für genug Abwechslung. Stabile Riffs und treibende Rhythmik stellen ein solides Gerüst durch das sich geschmeidige Melodien hangeln. Und bei dem gut gutturalem Gesang (eher zornig / verzweifelt als überzogen aggressiv: das Gollum goes Black Metal) erscheinen die Texte auch plötzlich nicht mehr kitschig, sondern voller Emotionen und authentisch. Stimmungsfördernd sind auch die häufigen geflüsterten Stellen. Die stärksten Passagen aber hat der Gesang bei den „catchy" Refrains, die intensiv wie Beschwörungsformeln und Flüche sind. Sehr wirksam.

Als zum Schluss von Track 5 (Auf blassen Schwingen) sowie am Anfang von # 6 (Vom Winde besessen) der Klargesang wieder einsetzt, zuck ich nur noch kurz zusammen. Zu gut das Drumherum, zu schön die Melodien / Leads, zu mitreißend die Dramaturgie als dass ich mich noch lange daran stören mag. Die vielen eingelassen Akustikparts sind Instrumentallyrik, die mal schlicht, mal verspielt das glaubwürdig transportieren, was der Troubadour mit schwülem Pathos verreißt.

Und als krönenden Abschluß (und das „krönend" ist nicht nur so dahin gesagt) gibt es den zweiten Fremdkörper zu bestaunen: Der abschließende Titeltrack ist eine „Mini-Symphonie". Und wer gern Klassik hört, dürfte nicht nur davon überrascht sein, was alles so auf dem Rechner machbar ist, sondern auch mit wie viel kompositorischem Können und Gespür für Dramatik Lirtes zu Werke geht. Hier zahlt sich sein Instinkt für schöne Laut / Leise Dynamiken besonders aus. Erinnert aus der Ferne an Basil Poledouris. --- Eine schöne Idee war es auch, dass „die Violinen" (wenn ich mich nicht irre) die Gitarren aus einem der vorherigen Stücke aufnehmen. Tolle Sache! An Lirtes ist ein Soundtrack-Schreiber für Fantasy-Epen verloren gegangen. Vielleicht traut er sich ja mal an ein ganzes Album in diesem Stil heran...

Zu Recht bemerkt man im Düsterwald für seinen WEIDENBAUM eine gewisse Nähe zu DORNENREICH und EMPYRIUM, aber auch dass der Vergleich hinkt, weil WEIDENBAUM generell für Vergleiche eigentlich zu eigenständig sind. Sehr starkes Drittwerk, das neugierig auf die Vorgänger macht, die vielleicht sogar ohne Klar- /Gastgesang auskommen. Das kleine Manko kostete übrigens mal gerade einen halben Punkt, zumal der Barde nach einigen Umläufen seinen Schrecken zu verlieren beginnt.