Stil (Spielzeit): Avantgarde Black Metal (43:02)
Label/Vertrieb (VÖ): Listenable Records (29.01.10)
Bewertung: 8,5/10
Link: www.sighjapan.com
www.myspace.com/sighjapan
Juhu, ist das abgefahren! Die Japaner SIGH versprühen auf ihrem mittlerweile achten Studioalbum wieder so viel Energie und kindliche Unbekümmertheit, dass sich nur die ganz schwarzen Seelen ein Schmunzeln werden verkneifen können, wenn sie „Scenes From Hell" einwerfen. Das einzig Höllische bei diesem Album ist neben der Dame am Saxophon nämlich der Spaß, den ich beim Hören habe.
Konnte ich beim Vorgänger „Gallows Gallery" entgegen anderslautenden Ankündigungen nicht viel Black Metal entdecken, sieht das heute schon ganz anders aus: „Scenes From Hell" besteht zu etwa 60 Prozent aus schwarzmetallischem Gebrause und Gekeife, die restlichen Prozent sind bunt verteilt auf Einflüsse aus 80er Thrash, Klassik sowie Mariachi- und Zirkusmusik. Und jeder, der dem Album eine echte Chance gibt, wird sehr wahrscheinlich feststellen – dieser krude Mix macht süchtig! Nicht nur, weil man sich vorkommt wie Alice im Musik-Wunderland, sondern weil SIGH sich mittlerweile die ganz großen Experimente verkneifen und ihre Songs wesentlich besser fokussieren.
Wo es auf „Gallows Gallery" noch den ein oder anderen Totalausreißer gab (ich erinnere mich an schiefe Schlumpfchöre, bizarre Interludien und nur schwer erträgliche Pop-Refrains), herrscht dieser Tage mehr Kontinuität und Ernsthaftigkeit. Nicht, dass hier nicht auch ein großartiges Feuerwerk bisweilen recht ungewöhnlicher Ideen abgefackelt würde, doch die musikalischen Zutaten passen viel besser zueinander und funktionieren vor allem auch über die gesamte Distanz, ohne dass man sich zwischendurch fragen muss, ob man sich im falschen Film bzw. Album befindet.
Besonders charakteristisch ist für SIGH der Einsatz von Bläsern, wobei man mit Dr. Mikannibal eine wahrhaft höllische Saxophonistin mit an Bord hat (ich hätte mir mehr großartige Soli wie bei „Musica in tempora belli" gewünscht!): Die Dame wurde jüngst vom Musikmagazin „Revolver" zu einer der „sexiesten Frauen im Metal" gewählt. Ihr Sound zusammen mit Trompeten-, Trombonen-, Tuba-, Flöten-, Klarinetten- und Streicherklängen sorgt für einen Bombast, der auch Bands wie CRADLE OF FILTH oder DIMMU BORGIR zur Ehre gereichen würde. Ganz so fett - manche würden sagen überproduziert - ist der SIGH-Sound zwar nicht, aber „Scenes From Hell" schallt amtlich durch die Boxen, was das Hörvergnügen nochmal steigert.
Der Vollständigkeit halber sei noch der Gastgesang von David Tibet (CURRENT 93) und Kam Lee (MANTAS/DEATH, MASSACRE) erwähnt, das beeindruckende Cover-Artwork stammt con Eliran Kantor, der bereits für TESTAMENT und GWAR zum Pinsel gegriffen hat. Gemastert wurde „Scenes From Hell" von James Murphy, der schon für TESTAMENT und DEATH an den Reglern drehte.
Und was sagt uns das alles? SIGH haben irgendwo auf ihrem musikalischen Weg zu Bands wie DIMMU BORGIR und SLAYER die Ausfahrt verpasst und sind in einer bunt-fröhlichen Geisterbahngesellschaft mit CARNIVAL IN COAL, SEAR BLISS, Richard Wagner und mexikanischer Volksmusik wieder zum Stehen gekommen. Drückt die Daumen, dass sie nie wieder zurück auf die Straße finden...
Chris
Als Kind der 90er liebe ich Grunge und Alternative Rock – meine bevorzugten Genres sind aber Death, Groove, Dark und Thrash Metal. Ich kann Musik und Künstler schwer voneinander trennen und halte Szene-Polizisten für das Letzte, was Musik braucht. Cool, dass Du vorbeischaust!