Wretched - Beyond The Gate

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Stil (Spielzeit): Melodic Deathcore (40:43)
Label/Vertrieb (VÖ): Victory Records (06.08.10)
Bewertung: 6 / 10

Link:
http://www.myspace.com/wretchednc 
Also ich weiß ja nicht... Gibt es von diesen hysterischen Deathcore-Formationen, die sich zwischen Melodic Deathmetal und Metalcore nicht so recht entscheiden können und stets versuchen, so komplex wie möglich zu klingen, mittlerweile nicht mehr als genug? Und ist es nicht so langsam mal an der Zeit, dieses Genre weiterzuentwickeln? Das dachte ich mir, als ich das vorliegende Zweitwerk der North Caroliner Frickeltruppe WRETCHED zum ersten Mal in den Händen hielt und mir einen kurzen Überblick über die darauf enthaltene Mucke verschaffte. Diese Gedanken resultierten jedoch auch lediglich aus der Tatsache, dass dies eben nur ein kurzer Überblick beziehungsweise eine kurze Hörprobe war. Klar, die Jungs setzen so ziemlich alle markanten Stilmittel ein, die wir auch von Bands wie THE BLACK DAHLIA MURDER oder SUICIDE SILENCE kennen und mehr oder weniger lieben gelernt haben. Doch eröffnet sich demjenigen, der sich die Mühe macht, dieses Album mal intensiv von Anfang bis Ende durchzuhören und sich dabei auch noch voll und ganz auf das Gehörte einzulassen, sehr viel mehr als die von mir fälschlicherweise vermutete hunderttausendste Kopie der eben genannten Bands.

Und das ist natürlich äußerst erfreulich. Denn scheinbar haben sich die fünf Amis die selben Fragen gestellt wie ich eingangs. Und glücklicherweise sind sie ganz offensichtlich auch noch zum selben Ergebnis gekommen. Ja, der Bedarf an Grüppchen, die sich mit tätowierter Haut und gestyltem Haar der Comic-Shirt-Fraktion verschrieben haben, ist gedeckt. So weit, so gut. Sehr viel wichtiger ist meines Erachtens jedoch die Antwort von WRETCHED auf die Frage nach Weiterentwicklung. Denn genau da setzen die Jungs an. So typisch einige der Passagen auf „Beyond The Gate“ für Deathcore auch klingen mögen, so unterscheiden sich andere doch wiederum komplett davon. Das wird auch gleich im ersten Song eindrucksvoll zur Schau gestellt. Man kann hier wohl am ehesten von einem harten Kern in weicher Schale sprechen. Denn dieser Track mit dem schönen Titel „Birthing sloth“ kann mit einer massiv ohrwurmtauglichen Leadgitarre überzeugen, die dem geneigten Hörer den kompletten Track über eine traurig-schöne Begleitmelodie beschert, um der ansonsten recht kantig wirkenden Knüppelorgie einen Hauch von Verletzlichkeit zu verleihen. Das ist wirklich eine ziemlich gelungene Mischung aus durchschnittlich brutalem Deathcore und angenehm dominantem Melodic Deathmetal.

Und trotz dieser doch eher bekannten Stilkombination klingt das Ergebnis von WRETCHED nicht wirklich nach THE BLACK DAHLIA MURDER, sondern viel mehr nach AT THE GATES. Überhaupt versucht das aufstrebende Quintett stets, uns eine dezente Portion Deathmetal der alten Schule auf „Beyond The Gate“ unterzumischen. Die Vermutung liegt nahe, dass der Albumtitel nicht unwesentlich durch eben genannte Refrenzband beeinflusst wurde. Die fünf Knüppelbarden von WRETCHED sind nun mal einfach einen Schritt weiter gegangen als ihre großen Vorbilder und stehen nun nicht mehr vor, sondern hinter dem Tor. Und da tobt die Schlacht. Zum melodischen Death-Bataillon gesellen sich umgehend einige Streitkräfte aus dem klassischen Thrash-Heer und die Core-Artillerie sorgt mit drückenden Breakdowns für die Unberechenbarkeit dieser kraftvollen Streitmacht. Und doch ist die alles andere als unbezwingbar.

Denn die Taktik von WRETCHED geht nicht zwangsläufig auf. So angenehm überrascht ich auch vom frischen Konzept der Musik anfangs war, so wenig weiß mich das Gesamtbild auf lange Sicht zu überzeugen. Viel zu häufig bin ich leider verleitet, wegzuhören. Das mag nicht zuletzt an den vielen langen Instrumentalen liegen, welche zwar sehr außergewöhnlich, aber auch etwas langatmig sind. Vier der zwölf Songs auf „Beyond The Gate“ müssen ohne Text auskommen. Diese Tracks sind, wie die restlichen auch, recht aufwendig komponiert und bieten von ruhigen, fast schon psychedelischen Parts über ausgiebige Gitarrensoli bis hin zu groovenden Attacken ordentlich Abwechslung. Mir persönlich fehlt es dabei jedoch ein wenig an Eingängigkeit. Aber vielleicht braucht die Scheibe auch einfach noch einige Durchläufe...