Stil (Spielzeit): Technical Death Metal (52:32)
Label/Vertrieb (VÖ): Relapse Rec./Rough Trade (13.03.12)
Bewertung: 8,5/10
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Wie es beim Wein aussieht, weiß ich nicht, aber 2012 wird ein guter Jahrgang für technischen Death Metal sein. GOROD haben gerade ihr Wunderscheibchen herausgeschleudert, da kommen plötzlich die Schweden von SPAWN OF POSSESSION dazu und machen in dem Lärmkreis mit. Doch rein schwedisch sind die Burschen nicht, da ja Christian Muenzner von OBSCURA hier auch seine Finger mit im Spiel hat – im wahrsten Sinne des Wortes. Sechs lange Jahre musste man warten, bis der Nachfolger von „Noctambulant" nun die Welt für sich einnehmen soll.
Das düstere Intro weckt zu Beginn verschiedenste Erwartungen mit Streichern und einem verspielten Tieftöner, die sich aufbauen zu einer musikalischen Gitarrenwand, die bald zusammenfällt und sich flugs neu aufbaut.
Die metaphorische Wand aus bunten Steinen wird mit einem differenzierten Sound und brachialer Gewalt permanent zerstückelt und umgebaut. Technisch versiert wird im Höchsttempo eine Gewaltorgie gefeiert, die sich nicht zu schade ist, das Ganze mit wieder erkennbaren Hooklines aufzupeppen.
„Bodiless Sleeper" führt die Lauscher zwar zu Beginn kurz in die Irre mittels diabolischem Kling-Klang, doch die Keule mit den siebzehn Stacheln holt schnell aus zum nächsten technischen K.O. Hier werden Rhythmen zerbrochen, der Temporegler hin- und hergeschoben und DEATH-gleiche Soli aufgeführt.
Auch der zehnminütige „Evangelist" wird eröffnet, als ob Chuck Schuldiners Finger am Werk wären. Diesem Stück zu folgen ist nicht ganz einfach, auch wenn manche Rifffolgen mit ihrem Groove den Song stellenweise rockbar machen. Ob dissonantes Geschredder oder neoklassisches Griffbrettrasen – es wird nie langweilig, aber fast ein bisschen unübersichtlich. Mit vielen Durchläufen findet man immer Neuigkeiten, aber durchaus auch erkennbare Strukturen, so dass die Ohrmuschel ihre Windungen nicht vollends verdrehen muss.
Derweil rockt das folgende „Servitude Of Souls" beinahe locker straight nach vorne, ohne sich im musikalischen Labyrinth zu verlaufen. Der Herr am Bass darf hier stellenweise sein Können hörbar unter Beweis stellen, wie es auch bei OBSCURA üblich ist. Trotz komplexem Gedudel mit fiesem Breakdown lässt sich hier manchmal prima die Matte schwingen.
Mein persönlicher Geheimtipp wäre „Spiritual Deception". Hier werden übersichtlich groovende Riffs geboten mit ordentlichen Blasts im Hintern. In der Mitte ist auch der Bezug zu JOHANN SEBASTIAN BACH zu finden, den die Band angibt. Die Harmonien sind erkennbar klassisch, auch wenn sie nicht konsequent als Fuge durchgeführt werden. Denn es soll ja auch noch ein bisschen Prügelei dabei sein – die allerdings kombiniert mit Variationen von Klassik-Melodien einiges zu bieten hat.
„Apparition" wird als zweitlängstes und letztes Stück mit viel Tüdelei und Orgel eröffnet, als ob man sich im verrückten Zirkus von LE GRAND GUIGNOL befindet. Allerdings erinnert der von Streichern unterstützte Song auch etwas an die Italiener von FLESHGOD APOCALYPSE, was ja keine schlechte Referenz ist.
Nachdem sich über eine dreiviertel Stunde lang solch komplexe Ballerei und schwieriges, tolles Gitarrenspiel in die Ohren gewunden hat, braucht man eine Verschnaufpause. Das wäre auch ein kleiner Haken, den ich der internationalen Truppe vorwerfen würde, dass die Songs nicht nur im Spiel sondern in der Struktur sehr kompliziert gehalten sind. Deshalb gibt es von mir einen halben Punkt weniger als GOROD, die in der Hinsicht angenehmer zu rezipieren sind. Wer aber generell auf ORIGIN, THE FACELESS oder die oben genannten steht, muss hier rein hören. Oder am besten auf ein Konzert gehen, denn die Jungs sind unter anderem mit OBSCURA und GOROD zurzeit in Europa unterwegs.
Manuel
"Größtenteils harmlos."