Beltane - Expressionist




Stil (Spielzeit): Progressive Death (40:02)
Label/Vertrieb (VÖ): Eigenprod. (2008)
Bewertung: 8 / 10
Link:www.beltanemetal.de

Auch wenn der Bandname vielleicht eher typischen Hörner-Metal vermuten lässt: das Debüt „Expressionist“ der Hagener Prog-Deather BELTANE kommt mit einem erfrischend unabgegrabbelten Sound- / Text-Konzept aus dem Knick.

Titel und das Covermotiv von Ilse Reichhardt geben die expressionistische Marschrichtung vor: Lyrisch werden dann z.B. Fragmente von August Stramm, Georg Heym oder wie im Piano- / „Spoken Words“-Intro „Verfall“* von einem meiner Lieblingslyriker, Georg Trakl, verarbeitet.--- Ich glaube zwar nicht, dass deren Einsatz in jedem Fall geglückt ist; schön aber, dass es versucht wurde. Dennoch: weder die eigenen, englischsprachigen Vergänglichkeitstexte, noch die stimmungsvolle, intelligente Musik hätten diesen Anstrich von Bildungsbürgerlichkeit nötig gehabt. Sei’s drum.

Die guten Texte von Drummer Julian Fischer sind akustisch zwar nicht immer so leicht verständlich wie die drei Gedicht(fragment)e, werden aber dafür sehr abwechslungsreich und viel stimmungsvoller vorgetragen. Ein dicker Pluspunkt sind die zwei Sänger, 1 x harsch, 1x klar, die zusammen eine ganze Palette verschiedener Atmosphären zu kreieren vermögen. Überhaupt, und damit erhält der Titel (wörtlich bedeutet „Titel“ ja „Anspruch“) denn doch noch seine Berechtigung, legen die 5 (+Gastsopranistin Eva Maria Kartenberg) für technisch anspruchsvolle Prog-Deather ungewohnt viel Wert auf Atmosphäre und den Ausdruck stimmiger Stimmungen. Expressionismus eben.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass dem Album der bemerkenswerte Spagat zwischen technisch anspruchsvollem Progressive Death (wie CYNIC oder ATHEIST) und Death-Doom-Atmosphären Marke „(frühe) OPETH“ gelingt.

Anders als z.B. bei CYNIC oder ATHEIST wird hier also nicht nur hart und dissonant gefrickelt. So erscheint die handwerkliche Kunstfertigkeit auch viel weniger als Selbstzweck, sondern notwendig, um die Atmosphären kitschfrei zu halten und das Schöne mit dem Hässlichen so zu verbinden, dass die Bauteile erkennbar bleiben.
Auch schön, dass sie uns dabei ATHEIST-typische Ausflüge in den Jazz ersparen und trotz der offensichtlichen OPETH-Affinität nie wirklich psychedelisch werden. Sie bleiben recht stur Metal. Stattdessen gibt es als Kontrastmittel zum technischen Death viel Akustisches und Groovendes. Manchmal auch aus der klassischen Metal-Ecke. Und wenn Klarstimme Mirko das Zepter in der Hand hält, „fühlt’s“ sich fast schon wie „normaler“ Prog-Metal an. ---Also könnte BELTANE auch Freunden von WATCHTOWER oder SIEGES EVEN gefallen.

Insgesamt eine ziemlich interessante, technisch anspruchsvolle Sache, die nie zu technisch wird und aufmerksame Hörer (und Leser) verdient hat. Die dürften vermutlich zwar ebenfalls das Gefühl nicht loswerden, dass die Band noch etwas Potential liegen gelassen hat… aber das schon jetzt genutzte stellt mehr als zufrieden.

Anspieltipps: das richtig tolle „Her Watery Grave“; hier funktioniert denn auch das Zitat aus Georg Heyms „Ophelia“, und die vorherige, von Shakespeares Hamlet inspirierte Nummer, gleichfalls „Ophelia“ benamst. Aber auch der Rest trägt zu einem richtig schönen Debüt bei, das für die Zukunft einige Erwartung schürt.

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* Dem Titel des Intros zum Trotz bedient es sich nicht bei Trakl’s gleichnamigen Gedicht, sondern bei „Seele des Lebens“