Es ist 1934 und William Beebe schafft es, mit einer Tauchkugel in die Rekordtiefe von 923 m zu tauchen. Tiefsee als Konzept, dunkle Geschichten mit wahren Hintergründen, darum geht es auf dem neuen Album der französischen Band ATLANTIS CHRONICLES, die bis vor drei Jahren noch ABYSS hieß. Ein kunstfertiges Stahlgewitter geht nun auf den Ozean nieder.
Auch beim wiederholten Durchlauf geht es mir nach dem blubbernden Intro wie beim vorigen Mal. Der ziemlich glatte Sound und das erste Kreischen lassen mich zunächst kalt und ich denke, dass hier wieder einmal eine technisch versierte Band zeigen will, wie hart sie ist. Doch jedes Mal werden meine Lauscher sehr schnell zufrieden und geben sich dem proggigen Geprügel hin.
Leicht lasse ich mich begeistern von neoklassischem Tapping, wie es recht bald in „Echoes Of Silence" präsentiert wird. Manche merkwürdig vertrackte Trommelei lässt den Schädel nachdenklich wippen, doch der zweite Gesangskollege grunzt so schön hart durch die Gegend, dass man zu den Riffs gelegentlich durchs Wohnzimmer moshen kann.
Überrascht wird man ab und zu von einem heftigen Breakdown – vermutlich mit Subbass – wodurch Traditionalisten abwehrend vielleicht das „Core-Wort" bemühen würden. Manche Genre-Übergänge sind fließend und in diesem Fall sehe ich den zweckmäßigen Einsatz von Stilmitteln durchaus angebracht.
Brutal gut und schön klingt es in „Homocene", während die Doppel-Leads an die Landeskollegen von GOROD erinnern, und gegen Ende klampft ein Seepferdchen unter Wasser auf seiner Akustik-Gitarre. Der Titeltrack bietet harmonische Dramatik, so dass das barbarische Soundgebirge einen Hauch von Melancholie um die Schultern trägt. Fortgeführt wird diese Atmosphäre in dem folgenden akustischen Instrumentalstückchen, das ein bisschen Ruhe in die Meerestiefe bringt.
Manchmal scheint es, als würden die Jungs auch bei GOJIRA reinschnuppern, doch noch eher kommen mir THE FACELESS in den Sinn, wenn ATLANTIS CHRONICLES einerseits mit hübschen Melodien aufwarten und gleich darauf alles in Schutt und Asche trümmern.
In letzter Zeit sind die Richtlinien im Tech-Death von OBSCURA oder GOROD und Konsorten ziemlich hoch angesetzt worden. Die Franzosen schaffen es aber, hier atmosphärisch interessante Songs mit hohem technischem Level zu verknüpfen. „Ten Miles Underwater" ist eine modern ballernde Tauchkugel mit ausreichend Tiefgang, ohne zu übertreiben.
Manuel
"Größtenteils harmlos."