Welch ein Zirkus wurde veranstaltet – CARCASS kommen zurück. Vor 25 Jahren setzten die Briten Maßstäbe mit ihrem Grindcore/Goregrind, verließen jedoch diese Gefilde zugunsten von Melo-Death-Meilensteinen. Nach einer siebzehnjährigen Pause kommt durch den Inselfunk plötzlich die Meldung, es würde neues Sezierbesteck geliefert. Zunächst war ich skeptisch – auch wenn ich kein CARCASS-Hardliner bin – ob die älter gewordenen Herren uns heute wieder überzeugen können. Doch ich und viele andere wurden positiv überrascht.
Als Einstieg wandern klassische Doppel-Leads den Berg hinauf, bevor der erste Thrasher losgelassen wird. Mit der Länge eines Grind-Songs wird im Opener bewiesen, dass man auch im Alter brutal Gas geben kann. Das Tempo wird hoch gehalten, zackige Riffs geben sich die Klinke in die Hand, verdoppelte Gitarrenmelodien und Flitze-Soli verfeinern das Geholze und Jeff Walker trägt mit seinem Organ viel zur Aggressivität bei.
In „A Congealed Clot Of Blood" wird die Groove-Maschine angeschmissen, und man kann sich manchmal nicht des Eindrucks erwehren, dass Michael Amott doch ein bisschen mitgemischt hat – was aber meines Wissens nicht der Fall ist. Das folgende „The Master Butcher's Apron" bietet eine eindrucksvolle Mischung aus Geblaste und zertrümmernden Schwergewicht-Passagen.
Fiese, flotte Abschnitte in „Noncompliance To ASTM F 899-12 Standard" könnte man als Reminiszenz an die Ursprünge sehen, wobei man deutlich mehr thrashige als grindige Einflüsse findet. Richtig giftig wird es in „Captive Bolt Pistol", der knackige Angriff eines Todeskommandos zeigt in all seiner Kürze alles, was man zwischen Drums und Riffs auf dem Schlachtfeld braucht.
Abschließend führt einen der Achtminüter „Mount Of Execution" nach Hause und vereint nochmals alle Stärken der Truppe. Von melodischen Anleihen des klassischen Heavy Metals bis zu letalem Saiten-Geschrubbe wird nochmals alles in einen Topf geworfen, gut umgerührt und schmackhaft mit harten Vocals und gemächlichen Soli gewürzt.
Von Andy Sneap hat „Surgical Steel" eine glänzende, stahlharte Produktion erhalten, die zwar anders klingt als die der Vorgängerscheiben, doch dem Material gut zu Gesicht steht. Auch wenn sich mancher dagegen verwehren würde, werde ich das Gefühlt nicht los, dass ältere Platten von ARCH ENEMY einen ähnlichen Drive haben. Weitere Vergleiche dieser Art kann man jedoch vernachlässigen, denn dieser britische Vierer klingt einfach nach CARCASS.
Wenn eine Platte innerhalb der ersten drei Tage nach Ankunft schon mindestens fünfmal ihre Runden dreht, kann sie nicht schlecht sein. Mit der Angabe, dass „Surgical Steel" alles Bisherige von CARCASS vereint, liegt man gar nicht so falsch, wenn man die rumpelnden Anfänge etwas außer Acht lässt.
Sowohl jeder Song für sich als auch die Platte im Ganzen hat ihren Reiz. An der Klasse dieser tödlichen Show können sich manch junge Bands noch etwas abschauen.
Und doch will sich kein richtiger Hit herauskristallisieren. Für die sofortige Wiedererkennung braucht es wahrscheinlich zum Teil mehrere Durchläufe, doch das sind auch schon die einzigen kleinen Wermutstropfen, die für mich keine Höchstpunktzahl zulassen. Mit „Surgical Steel" beweisen CARCASS allemal, dass sie nichts verlernt haben. So brutal-melodisch dürfen sie gerne ihren Weg weiter beschreiten.
Manuel
"Größtenteils harmlos."