Als INSOMNIUM bei einer Probe zusammensaßen, draußen ein Sturm tobte und die Band an einem guten Wein nuckelte, während EDGE OF SANITYs Album „Crimson“ aus den Boxen tönte, überkam die Band eine geniale Idee: Wie wäre es, etwas zu produzieren, das sie noch niemals zuvor gemacht haben? Dies war die Geburtsstunde des siebten Albums „Winter’s Gate“, das sage und schreibe genau einen Track enthält, der dafür 40 Minuten lang geht.
Das Thema des Albums basiert auf einer Kurzgeschichte, die Sänger und Bassist Niilo Sevänen geschrieben hat. Sie handelt von ein paar Wikingern, die bei der Suche und Gier nach Gold auf eine Insel im Nordwesten Irlands gelangen, auf der mystische Winterwesen hausen, die alle außer einen der Wikinger umbringen. Sevänen gewann für diese Kurzgeschichte 2007 und 2008 mehrere Preise. Die Geschichte ist bei jeder CD im Booklet enthalten.
Die Stimmung des Songs ist also sehr mystisch, aber auch episch, und enthält ruhige als auch aufregende Momente. Da der Song so lang ist, braucht es den richtigen Moment, um ihn am Stück zu hören. Da sind viele kleine Songs dann doch besser, um den Einstieg zu finden. Dadurch, dass der Song verschiedene Abschnitte hat, wird mir jedoch überhaupt nicht langweilig. Schon nach den ersten paar Minuten bin ich überwältigt von den Emotionen, die die Musik transportiert. Die Trauer, die Melancholie, die Hoffnung und die Verzweiflung sind regelrecht greifbar und das tiefe Growlen harmoniert perfekt mit den epischen und atmosphärischen Gitarrenmelodien.
Das Lied beginnt mit sanften Keyboardmelodien, die von Trommelwirbel und E-Gitarren Sounds abgelöst werden. Danach beginnt der "Gesang", der zwar recht schwer verständlich ist, dennoch ist der Refrain dieses ersten Teils ein absoluter Ohrwurm.
Kurz nach Minute sechs beginnt der zweite Part. Die cleane Gitarre bleibt im Hintergrund, Sevänen spricht seinen Text, danach wechseln die cleanen Gitarren in die verzerrte Variante. Dieser zweite Teil ist dem ersten ziemlich ähnlich, da die selben Melodieelemente verwendet werden. In Minute neun, nachdem sich alles wieder beruhigt hat, gibt es sogar einen choralen Part, der sich natürlich ebenfalls steigert, und das erste Gitarrensolo fetzt, bevor das Thema des zweiten Teils wiederholt und wieder variiert wird.
Darauf folgt ein langer Instrumentalteil, der abrupt von Stille und gefolgt von leichten Keyboardmelodien unterbrochen wird. Ab Minute 13 fängt dann der nächste Abschnitt an, der viel rhythmischer und weniger Folk-ähnlich ist – auch wieder mit cleaner Gitarre und Sprechgesang (an IN FLAMES erinnernd). Aber wie auch in allen anderen Teilen, wird diese schöne Atmosphäre von Kirchenglocken, Growls, Trommelgewitter und Distortion-Gitarre abgelöst, dennoch ein eher ruhiger Abschnitt.
Das nächste Kapitel beginnt wieder einmal ruhig mit cleaner Gitarre, die diesmal aber im Vordergrund steht. Der Gesang ist ebenfalls clean und melodisch. Es folgt wieder ein neues Thema, das sich mit Gitarrensoli und dem cleanen Gesang aus dem Intro abwechselt. Der vorletzte Teil beginnt mit simplen Klavierklängen (leise von orchestralen Sounds begleitet), die das nächste Thema ankündigen und wieder einmal explodiert das Intro in schwere Growls und E-Gitarrensoli. Die Atmosphäre erinnert stark an "Back On Northern Shores" von AMON AMARTH. Das Lied schließt mit einem Finale, bei dem Trommel, Schlagzeug, Gitarre und Orchesterklänge in Chaos versinken.
Die einzelnen Themen werden also jeweils von "Ruhephasen" abgetrennt und könnten somit auch einzelne Lieder sein. Da aber jedes Thema weiterentwickelt wird, macht es Sinn, das Lied als Gesamtwerk stehen zu lassen.
Musikalisch unterscheidet sich das Album von vorhergegangenen Werken, da neben dem Melodic-Death-Metal auch viele Doom-, Progressive- und Black-Metal Elemente enthalten sind, ebenso wie Wikingermelodien – und diese wurden meisterhaft kombiniert. Für dieses Album kam nur eine Person für das Mixing und Mastering in Frage: Dan Swanö, Sänger von EDGE OF SANITY, der ebenfalls großen Spaß bei der Sache hatte.
Das Meisterwerk ist insgesamt super zum Abschalten und Zurücklehnen. Da die Musik eben eine Geschichte erzählt und mich in stürmische Winternächte Irlands zurückversetzt (das Albumcover spricht schon für sich), gehört es für mich definitiv zu den besten Alben dieses Jahres.
INSOMNIUM geben übrigens im Winter (irgendwie passend, oder?) auch Konzerte in Deutschland:
11.01. – Bochum, Matrix (mit Barren Earth und Wolfheart)
12.01. – Aschaffenburg, Colos-Saal (mit Special Guest)
20.01. – Hamburg, Gruenspan
22.01. – Berlin, Lido (mit Barren Earth und Wolfheart)
25.01. – Stuttgart, Im Wizemann
27.01. – München, Technikum (mit Barren Earth und Wolfheart)
Nana
Stile: Atmospheric Black Metal, Stoner Rock, Melodic Death Metal, Metal-/Deathcore, slavischer Postpunk, Synth-Pop
Bands: Altin Gün, Agar Agar, Boy Harsher, Children of Bodom, Mars Red Sky, John Maus, Lorna Shore, Jonathan Hulten, Myrkur, Molchat Doma, Polyphia