myGRAIN - Signs of Existence Tipp




Stil (Spielzeit): Melodischer Death-Thrash (48:37)
Label/Vertrieb (VÖ): Spinefarm (13.02.08)
Bewertung: 9,5 / 10
Link: http://www.myspace.com/mygrain
http://www.mygrain1.com

Und wenn man glaubt, so langsam kann ja nix Neues mehr aus Skandinavien kommen, da man die paar Hanseln, die da oben leben, ja bereits alle namentlich aus der Sportschau kennt oder eben weil sie damit beschäftigt sind, die Metal-Szene aufzumischen…
… oder wenn man denkt, dass Death Metal in seiner Beschränktheit ausgereizt ist, so dass da nichts exorbitant Frisches mehr auf uns losgelassen werden kann… dann fliegt prompt aus nördlicher Richtung ein Silberteller heran, um einem solch tumbe Gedanken aus der Waffel zu blasen.

Diesmal ist das Ding in Helsinki gestartet. MYGRAIN existiert – unglaublich, wenn man das Resultat hört – erst seit 2004 und hat das Debüt „Orbit Dance“ bereits 2006 veröffentlicht. Von der breiten Öffentlichkeit und von mir unbemerkt. Jetzt schieben sie ihr Zweitwerk nach … Was für ein Geschoss.

MYGRAIN sind in Sachen melodischer Thrash-Death unterwegs. Und selten zuvor ward der so perfekt (und) ausgewogen definiert. Die ganze Göteborg-Fraktion sollte sich ganz tief verbeugen. Bis jetzt waren Dark Tranquillity meine Faves auf diesem Sektor. Vorbei.
Fangen wir mal mit dem Sänger an: Was Tommy, der ein bisschen aussieht wie Sid Vicious nach einer Überdosis Vitamin C, hier abliefert, sucht seinesgleichen --- nicht nur im melodischen Death. Grunts und Growls, Screams und Shouts vom Feinsten, klare, melodische Parts und grandiose Refrains, für die nahezu alle True- und Melodic-Metal Sänger töten würden.

Die Gitarren (Resistor und Matthew) sind über jeden Zweifel erhaben. Sie fetzen alles weg, was nicht ebenerdig ist. Ohne das man hier von sinnloser Gewalt reden dürfte. Härte und Schnelligkeit sind kein für Death typischer Selbstzweck, sondern stehen im Dienst der Songs. Und das heißt hier: Abwechslungsreichtum, Ideen und Phantasie bis zum Abwinken. Und so grooven sie auch mal völlig relaxt vor sich hin, ohne das es wimpy klingt. Mit einem Wort: Genial wie das Gesamtwerk. Allein die Tatsache, dass beide eine Solo-Allergie zu haben scheinen, trübt meine Begeisterung minimal. Deshalb gibt es insgesamt auch nur 9, 5 und nicht 10 Punkte.

Kommen wir zur Dame des Hauses: Eve an den Keys ist ein echtes Erlebnis. Sie schafft es, mit immer neuen Klangfarben und Sounds attraktive Kontrapunkte in die melodisch-deathige Atmosphäre einzuschieben, gegen die die Herren der Schöpfung erst einmal anmetzeln müssen. Was für Tommys Gesang gilt, gilt auch für Eve… hier werden alle Register gezogen: so flexibel und phantasievoll habe ich Keys im melodischen Death noch nicht gehört. Selbst manch Prog-Tastateur dürfte seine Meisterin gefunden haben. Und da das Promo-Sheet Gastmusiker verschweigt, vermute ich mal, dass sie auch für die schönen wie schön sparsam eingesetzten weiblichen Vocals zuständig ist.
Das Tier an den Drums hämmert – gemeinsam mit Basser Jonas– alles weg, was die Gitarren bei ihrer vernichtenden Arbeit eventuell übersehen haben könnten. Es hört auf den irreführenden Namen DJ Locomotive. Zwar pflügt er mit dem Speed und der Präzision eines TGV durch die Gegend, aber was er auf seinem Höllenritt nebenbei an Fillings streut, ist feinste Schule. Alleine DJ L. würde den Kauf der CD rechtfertigen.

Nun machen sechs tolle Individualisten noch keine geile Band. Aber MYGRAIN sind eine solche. Weil sie nicht nur umsetzen können, was sie an Ideen haben, sondern weil sie davon in jedem Stück mehr unterbringen als die meisten Bands für ein Album zusammenstoppeln. Wenn der Ideenrausch dann noch ganz ungezwungen vonstatten geht, dann hat man zwangsläufig ein (zumindest fast) geniales Album und eben eine richtig geile Band vor sich.
Kaufpflicht für alle, die auf Härte UND Melodien stehen; für mich gilt sie für das Debüt, auch wenn es angeblich eher in die Richtung Metalcore gehen soll.