Dass ich mir nur die Audioversion geben konnte, ist nicht schlimm, denn AMORPHIS haben sich schon 2020 filmen lassen – pandemiebedingt ohne Publikum. Nach den Covid-Jahren ist mein Bedarf an dieser Art Konzert gedeckt, zumal AMORPHIS eh nicht gerade extrovertierte Performer sind. Aber sie sind tolle Musiker und eine perfekt aufeinander eingespielte Band. Daher ist "Tales From The Thousand Lakes: Live at Tavastia" eine ziemlich coole Sache geworden.
Lebendige Version eines Meilensteins
Natürlich ist das Original von 1994 unantastbar, es gibt daran nichts zu verbessern, der Sound ist zeitlos groß. Dennoch: Es ist schön, die ausnahmslos fantastischen Songs dieses 90er-Death-Metal-Meilensteins in diesen frischen, lebendigen Versionen zu hören. Und auch wenn "The Castaway" oder "Black Winter Day" feste Plätze im Liveset der Band haben – mal "To Fathers Cabin" oder "Magic And Mayhem" live in der aktuellen Besetzung mit Tomi Joutsen am Mikro zu hören, ist schon besonders.
Originalgetreu gespielt, aber Freiheiten genommen
AMORPHIS lassen die Stücke ihres zweiten Albums strukturell weitestgehend unangetastet. Jeder einzelne Musiker schafft es jedoch, sich ans Original zu halten und sich in der Ausführung dann doch gewisse Freiheiten zu nehmen. Besonders Keyboarder Santeri Kallio macht hier einen besonders weiten Spagat – aber die 94er-Vorlage von Kasper Mårtenson, der "Tales From The Thousand Lakes" damals veredelt hat, ist immer erkennbar.
Sichere Bank als Ergänzung
Als Ergänzung spielen AMORPHIS noch "Vulgar Necrolatry" vom Debüt-Album "The Karelian Isthmus" und "My Kantele" von Album Nummer drei, "Elegy". Die Wahl ist eine arg sichere Bank, denn beide Stücke sind von Konzerten und Live-Aufnahmen bekannt. Das geilere Gimmick wären die Songs von der 1995er "Black Winter Day"-EP gewesen. Auch den DOORS-Song "Light My Fire" (damals als Coversong auf jener EP und als Bonustrack des Albums erschienen, mit Tomi Kuivosaaris Growls) hätte ich gerne mal mit Tomi Joutsens klarer Stimme gehört. Wobei: Die gut acht Minuten lange Version von "My Kantele", die AMORPHIS auf "Live at Tavastia" abliefern, ist schon sehr cool ...
Alle sind glücklich!
Aber das Beste an "Tales From The Thousand Lakes: Live at Tavastia" ist doch: Konservative (soll's ja geben im Metal!) können die Scheibe links liegen lassen und das Original hören, während die anderen jetzt eine schöne Alternative haben und beides genießen können. Und alle sind glücklich!