Gorod – Process Of A New Decline Tipp



Stil (Spielzeit): Technical Death Metal (48:52)
Label/Vertrieb (VÖ): Listenable Rec. (01.06.09)
Bewertung: 9/10
Link: http://www.myspace.com/gorod
 

Früher hießen sie noch GORGASM.
Doch um einer Verwechslung mit den amerikanischen Todes-Metallern zu entgehen, nennen sich die Franzosen seit vier Jahren GOROD. Unter diesem Titel hat der Käse-Rotwein-Fünfer nun sein drittes Scheibchen eingetrümmert, das doch schon erstaunlich oft in meinem Player seine Runden dreht.

Brutal schräg.
Der Opener „Disavow Your God" wirft die Lauscher in ein Wechselbad, aus dem sie die kommende Dreiviertelstunde nicht herauskommen. Dissonantes Riffing mit wunderschön derben Growls lockert sich selbst durch versteckt positive Harmonien auf, bis der Frickelteil kommt. Dann wird nach guter NECROPHAGIST-Manier neoklassisch getappt, gedudelt und rauf und runter gerast.
Trotz diverser Breaks laden verschiedene Songabschnitte immer wieder ein zum Moshen, Schädelkreisen oder einfach nur versonnen auditiven Wahrnehmen. Da gibt es rhythmische Kombinationen, die einen verzückt quietschen lassen, wenn der heftige Blast in einen swingenden Groove verfällt und kurz danach wieder im treibenden Getrommel erbarmungslos zuschlägt. Dabei spielen die Finger der beiden französischen Gitarreros auch eine außerordentliche Rolle, wobei man den Herrn an der Axt mit den dicken Saiten natürlich auch nicht vergessen darf. Ich finde es erstaunlich, welche Melodieläufe die Kerle teilweise im Hintergrund laufen lassen, was dem gewöhnlichen Hackbrett einen Schuss Eingängigkeit verleiht.
In Nummer vier - „Rebirth Of Senses" - erscheint es manchmal, als wäre die Handbremse angezogen, um ein paar unnormale Fahrweisen zu testen. Will heißen, die Breaks wirken im Langsamen noch stärker oder wenn die Gitarrenwand etwas zurückgenommen wird und dafür der Mann der tiefen Töne sich an die Front drängelt. Doch dass die Sinne nicht vollkommen in der Komplexität untergehen gibt es auch hier eine schön melodische Teilstrecke.
Im darauf folgenden Song wird man dagegen in der ersten Minute von Damengesang und Streichern überrascht, die mit zurückhaltenden Bassläufen kombiniert ein neues, ruhiges Feeling kreieren. Der Rest des Stückes spielt sich in vertracktem Frickeltod ab, der auch mal ganz nett rockige Nuancen zum gemütlichen Bier einfließen lässt.
Doch erst in der Mitte der elf Songs gibt das Quintett eine kleine Verschnaufpause; ich möchte hier aber nicht von Ruhe sprechen. Der Takt kann auch in bequemer Geschwindigkeit herumspringen und ein kleiner Vulkanausbruch ist immer drin.

Bei fast fünfzig Minuten solch harter, schwieriger Musik muss es meiner Meinung nach ein gewisses Maß an Abwechslung geben, dass man nicht doch nach einer guten halben Stunde der Bretterei überdrüssig wird und die Ohren und/oder die Anlage abschaltet. Und GOROD schaffen das irgendwie.
In „Guilty Of Dispersal" möchte man im Swing nochmals die Hüften wiegen, dann wird wieder in Höchstgeschwindigkeit barbarisch drauf losgeholzt und gegrunzt. „A Common Hope" wartet mit einem trickreichen Riff auf, dass hohen Wiedererkennungswert hat, wie auch manch kleine Melodei, die sich nach mehrmaligem Hören doch schön herauskristallisiert.

Deathcore oder brutaler, technischer Death Metal sind in den letzten Jahren ja fast eine Art Modeerscheinung geworden, wenn man das von solcher „Untergrundmusik" sagen kann. In diesem Segment dürfen GOROD aber durchaus in der oberen Liga mitspielen. Jazzige Einlagen, melodiöse Soli und Gewehrsalven mit Tödlichkeitsfaktor zehnkommafünf. Von Klangqualität und ordentlichem Spielen brauche ich gar nicht reden.
Das zeitweise neoklassische Fingerspiel klingt ein bisschen dreckiger als bei NECROPHAGIST, dafür kommt ein klein wenig mehr Eingängigkeit heraus, wie bei dem neuen OBSCURA-Album. Wer sich also mit Freude und Gewalt die Hirnwindungen im Stile von THE FACELESS und Kollegen verknoten lassen will, der sollte hier mit GOROD die Chance nutzen.
Manuel

"Größtenteils harmlos."