Antigama - Warning

antigama

Stil (Spielzeit): Grindcore (35:50)
Label/Vertrieb (VÖ): Relapse Records (09.03.2009)
Bewertung: 6 / 10
Link: http://www.myspace.com/antigama


Dies ist nicht nur ein Warnschuss... Der neueste Output des polnischen Grindquartetts ANTIGAMA ist viel mehr ein gezielter Headshot, der direkt durch das Ohr in den Schädel eindringt und nichts als eine rote Wolke hinterlässt. Die erste Band, welche mir als Vergleich sofort einfiel, sind die Sickos von PIG DESTROYER. Der hier vorliegende, zu einer silbernen Scheibe geformte, Hassanfall erinnert (vollkommen wertfrei) sehr an die legendären Virginianer zu ihren besten Zeiten.

Chaotische Songstrukturen, ein gemeiner, roher Sound, superschnelles Riffing, intensives Gegröhle und eine gehörige Portion pure Aggression machen ANTIGAMA zu einer würdigen Fahrwassercombo für die Schweinezerstörer. Doch das ist noch nicht alles. Dass man durchaus auch mal den einen oder anderen Nebenfluss befährt, beweisen vor allem die hochgestimmten, meist sehr schwer eingängigen Gitarren und einige kurze, verrückte Jazz-Passagen. Dadurch wird man das eine oder andere Mal an solch Chaoten wie CEPHALIC CARNAGE, CONVERGE oder THE DILLINGER ESCAPE PLAN erinnert. Man ist jedoch nur selten verleitet, das Ganze als ZU konfus abzutun. So ging es mir persönlich jedenfalls. Und ich bin wahrhaftig kein Freund von allzu chaotischem Herumgefrickel, bei dem es hauptsächlich um Komplexität und möglichst viele Tempowechsel geht. Doch im Gegensatz zur typischen CONVERGE-Scheibe konnte ich mir „Warning“ problemlos dreimal hintereinander anhören, ohne Kopfschmerzen zu bekommen und mich nach einem simplen, beatbetonten Riff zu sehnen. Denn auch derartiges findet auf dem aktuellen Machwerk von ANTIGAMA durchaus seine Daseinsberechtigung.

So wird in meinem persönlichen Lieblingssong auf dieser Scheibe, dem kurzen, aber prägnanten „Another“, zwischen den obligatorischen Hochgeschwindigkeits-Ausrastern plötzlich ein richtig schönes Deathmetal-Riff aufgefahren, auf welches man zwangsläufig nur mit grinsendem Kopfnicken reagieren kann. Auch das mitreißende „Heartbeat“ sticht durch zwischenzeitliches Headbang-Riffing angenehm aus der Hass-Suppe hervor. Ansonsten fällt es mir eher schwer, hier weitere Anspieltipps zu liefern, da man auf „Warning“ aufgrund der vielen komplett unterschiedlichen Passagen schon innerhalb der einzelnen Tracks meist gar nicht wirklich mitbekommt, wann ein Song endet. Es wurde mit Ausnahme des Openers, der stilvoll mit dem Geräusch eines Insektenschwarms eingeläutet wird, nicht nur auf Intros, sondern ebenso auf kurze Pausen zwischen den Tracks verzichtet.

Die vier Warschauer bezeichnen ihre Musik selber als Avantgarde-Grindcore, was auch absolut zutrifft, da die neue Scheibe im Gegensatz zu früheren Veröffentlichungen sehr viel mehr Eigenständigkeit besitzt und sich einen Dreck um massenverträgliche Rhythmen schert. Nein, hier wird im Schatten von Noise und FreeJazz das eigene Süppchen so lange gekocht, bis auch die letzte uns bekannte Lebensform vollends ausgelöscht wurde und im Kochtöpfchen mit der bezeichnenden Aufschrift „Warning“ lediglich tote Überreste an bereits bestehende Arten erinnern.

Klangen die alten ANTIGAMA-Scheiben zwar vom Sound her noch etwas unausgereift, so waren die Songs doch um einiges eingängiger und im Allgemeinen etwas langsamer. Man hat sich nun scheinbar vollkommen neu gesammelt und sich vorgenommen, der Grindcore-Szene einen richtungsweisenden Arschtritt zu verpassen, um allen semi-aggressiven und möchtegern-kritischen Combos in diesen Gefilden zu zeigen, wohin der Weg führt. Und dieser Weg führt uns alle in eine düstere Zukunft!

Textlich bringt Shouter Patryk Zwolinski genau die Weltanschauungen und Visionen an den Mann, welche man bei der ausgemachten Aggressivität seiner Vocals in Verbindung mit dem Titel der Scheibe auch erwartet. Es geht bergab. Mit allem. Führt man sich die 16 Tracks der Scheibe einmal intensiv zu Gemüte, ist der Suizidgedanke automatisch ein Stückchen näher gerückt. In der von ANTIGAMA prophezeiten Zukunft will mit Sicherheit niemand leben. Das hier ist Endzeitstimmung deluxe fernab von Weicheier-Gothic-Gejammer...