Masse statt Klasse… Gemäß eines strukturierten Beurteilungsgespräches werde ich zuerst einmal auf die positiven Seiten von “VII Dogmata Of Mercy” eingehen. Hier steht der fette Sound ganz vorne an, erwähnt zu werden. Nicht zuletzt aufgrund dessen fallen mir als erste Referenzband auch die Kommerz-Blackmetal-Jungs von DIMMU BORGIR ein. Bei denen trifft eingangs zitierte Redensart zwar nicht unbedingt zu, da die sechs Norweger ihre Songstrukturen ja meist exzessiv ausfeilen, doch steht auch dort die gewaltige Soundwand, mit der man konfrontiert wird, klar im Vordergrund. Genau wie bei den fünf Polen, welche seit 1989 unter dem Namen CRYPTIC TALES menschliche Trommelfelle attackieren. Die sauber definierten Saiteninstrumente kommen als monströse Walze dahergerollt und bilden in solider Symbiose mit dem absolut einwandfreien Geknüppel von Jaroslaw Maciuszek ein regelrechtes Soundgewitter. So schwer es dem Nicht-Polen auch erscheinen mag – den Namen dieses Trommlers sollte man sich merken! Absolut tighte Blastbeats wechseln sich mit kreativen Midtempo-Parts ab und zeugen von „Spielspass“. Unterlegt wird dieses Gewitter zu großen Teilen von genretypischen und eher wenig originellen Keyboard-Spielereien, welche meist epischen Charakter besitzen und die krampfhaft gen Himmel gerichtete offene Klaue geradezu bildlich verdeutlichen. Hier findet auch noch einmal der Vergleich zu DIMMU BORGIR seine Anwendung, wenn auch in die Machwerke von CRYPTIC TALES nicht ansatzweise so viel Firlefanz hineingestopft wurde. Glücklicherweise nicht. Dem einen oder anderen Nachwuchs-Schwarzmetaller mag dieses überladene Keyboard-Geraffel ja zusagen – ich persönlich bevorzuge dann doch eher die rauhe Schiene à la ENDSTILLE. Unsere fünf Polen jedenfalls begnügen sich mit einem in meinen Augen erträglichen Mittelmaß und zeigen sich lieber von der härteren Seite. Auch Sänger und Gründungsmitglied Piotr Kopko trägt durch fieses und gut durchschnittliches Geknurre seinen Teil zum Härtegrad bei. Dieser brutale Einschlag, welcher die Band vom gemeinen Blackmetal abhebt, ist auf die musikalische Entwicklung der Band zurückzuführen, da CRYPTIC TALES einst als Doom-/Deathmetal-Band Einzug in die polnische Underground-Szene gehalten haben. Die schwarze Farbgebung ist auf diesem, bereits vierten, offiziellen Output erstmalig zu vernehmen. Doch eine gewisse Vorliebe für todesmetallische Klänge ist definitiv geblieben. Dies ist vor allem durch die teilweise sehr brachialen Riffs in einzelnen, verstreuten Passagen der sieben durchschnittlich achtminütigen Songs zu beobachten. Diese vereinzelten Aggressions-Momente bilden jedoch leider eher die Ausnahme. Und damit ist es nun an der Zeit, sich den weniger positiven Aspekten der Scheibe zu widmen. Denn wenn auch das soundgewaltige Erscheinungsbild tatsächlich „massiv“ rüberkommt, so mangelt es den überlangen Songs doch leider etwas an aufmerksamkeitserhaltender „Klasse“. Zu oft erwischt man sich dabei, gar nicht mehr richtig hinzuhören. Das Songwriting ist zwar keinesfalls anspruchslos, doch sind richtig eingängige Passagen, wie z.B. bei der grandiosen und ansonsten recht gut vergleichbaren Death-/Black-Horde HOLLENTHON, einfach zu rar gesät. Häufig dudeln die Gitarren zwar melodisch, aber langweilig vor sich hin und lassen zu lange auf die nächste Headbang-Orgie warten. Dies ist wirklich schade, denn Potential haben CRYPTIC TALES auf alle Fälle! Vielleicht hätte man die Stunde Spielzeit lieber auf vierzehn statt sieben Songs verteilen und dafür einige unnötig in die Länge gezogene Passagen etwas abkürzen sollen. So jedenfalls kommt zu schnell Langeweile auf. Allerdings kann ich mir aufgrund dieser Tatsache auch keine OPETH-Scheibe ganz anhören und würde dennoch nicht behaupten, dass die Band schlecht sei. Demnach lasse ich dieses Manko auch nicht übermäßig stark in die Punktzahl einfließen und verweise lediglich darauf, dass ich mich etwas gelangweilt habe und CRYPTIC TALES persönlich als „Fahrstuhl“-Metal abstempeln würde. Nicht viel mehr als Hintergrundmusik. Allerdings wirklich gute Hintergrundmusik. Qualitativ top!
Stil (Spielzeit): Black / Death (59:18)
Label/Vertrieb (VÖ): Empire Records / Crash Music (07.04.09)
Bewertung: 6 / 10
Link: http://www.myspace.com/cryptictalesband