Stil (Spielzeit): Gothic Metal (47:29)
Label/Vertrieb (VÖ): Century Media (31.03.06)
Bewertung: Wunderschön aber eine Spur zu glatt (7/10)
Link: www.lacunacoil.it
Nun dreht die Musikwelt plötzlich genau so am Rad wie ich anno 1997, als ich von einem Freund die EP „Lacuna Coil" vorgespielt bekam und ich einfach nur fasziniert war von dieser melancholischen Melodieschönheit zwischen Gothic Rock und Dark Metal, getragen von der wunderschönen Stimme Cristina Scabbias. Von da an war es um mich geschehen und ich hatte eine neue Lieblingsband aus Italien.
Die ersten beiden Alben „In A Reverie" und „Unleashed Memories" wurden von den Kritikern denn auch folgerichtig mit viel Applaus bedacht, doch erst mit dem 2002 veröffentlichten „Comalies" enterte die Band die offiziellen Album-Charts in Ländern wie Deutschland, Frankreich und Holland. 2004 knackte man mit der Wiederveröffentlichung des Albums in den USA den Markt: „Comalies" öffnete viele Türen, die für eine italienische Band zuvor verschlossen schienen und erlangte durch zwei höchst erfolgreiche Kampagnen im kommerziellen US-Radio sowie die Teilnahme an der Ozzfest-Tour Bekanntheit. Century Media hatten ein neues Zugpferd, denn das Resultat waren über 500.000 verkaufte Einheiten von „Comalies" weltweit, die Hälfte davon allein in den USA.
Was für ein Druck muss demnach auf LACUNA COIL gelastet haben, als sie „Karmacode" einspielten. Doch davon hört man nichts, die sechs Musiker haben ein weiteres Mal ihr Können bestätigt. - Wenn auch an dieser Stelle einmal deutlich gesagt werden sollte, dass LACUNA COIL weder die in den Medien vielerorts gepriesenen Heilsbringer sind, noch ein Über-Album kreiert haben.
"Wenn es eine schlüssige Übersetzung für Karmacode gib, dann wohl als spirituelle DNS und die Bedeutung dahinter'", erklärt Cristinas Gesangspartner Andrea Ferro. "Der Titel versucht eine Balance herzustellen zwischen unserem modernen, erdrückenden, selbstbezogen und rasanten Lifestyle und unserem Wunsch nach einem spirituelleren, erfüllenden Leben."
Musikalisch wurde das Ganze gewohnt eingängig verpackt: Cristina und Andrea liefern sich hart-zarte Gesangsduelle, oftmals mehrstimmig und vor einem füllenden Hintergrund von harten Gitarrenriffs, atmosphärischen Keyboardflächen, Streichern („Within Me") und einem Bassfundament, das stellenweise so derb pluckert, als hätten KORN auf einen Besuch vorbeigeschaut ("To The Edge", „What I See"). LACUNA COIL verstehen es, moderne Metal-Elemente mit klassischem Bombast und beinahe überbordenden Verzierungen zu kombinieren und das Ganze spannend und stimmig miteinander zu verflechten. Fast wird es mir ein wenig zuviel des Guten, denn alles klingt so angenehm und hitverdächtig, dass ich ab und zu auch mal einige Kanten und Ecken mehr vertragen könnte. Zwischen Hooklines am Fließband (auf dem schmalen Grad zwischen Seichtigkeit - hier beispielsweise "Without Fear" - und Eingängigkeit) hätte ich mich auch über den ein oder anderen sperrigen oder weniger nach schwindelerregendem Wohlklang konzipierten Part gefreut. So auch bei der Coverversion von DEPECHE MODEs „Enjoy The Silence", die mir in der vorgebrachten Version mit flirrenden Backgroundsounds und aufgeblasenem Chorus eine Note zu schwülstig klingt.
LACUNA COIL haben mit „Karmacode" ohne Zweifel ein starkes Album abgeliefert. Allerdings wird auch sichtbar, dass hinter den Songs ein Schema steckt, aus dem die Band seit „Comalies" (und teilweise vorher) nicht herausbricht - Wendungen, Spannungsbögen, Melodiebauten (oftmals mittelöstlich angehaucht) und Herangehensweise haben sich im Grunde nicht verändert und wurden lediglich neu in Szene gesetzt sowie produktions- und klangtechnisch angereichert oder eingefärbt (beispielsweise der vollere Bass- und Gitarren-Bereich). Für dieses Mal geht das in Ordnung, denn das Werk hat wirklich wunderschöne Momente am laufenden Meter zu bieten - das nächste Album wünsche ich mir jedoch insgesamt etwas unkonventioneller, denn pure Schönheit und Klanggewalt wird doch auf Dauer etwas langweilig und vorhersehbar.
Chris
Als Kind der 90er liebe ich Grunge und Alternative Rock – meine bevorzugten Genres sind aber Death, Groove, Dark und Thrash Metal. Ich kann Musik und Künstler schwer voneinander trennen und halte Szene-Polizisten für das Letzte, was Musik braucht. Cool, dass Du vorbeischaust!